Böses Herz: Thriller (German Edition)
geknurrt hätte.
Doral hatte versonnen auf das träge Wasser des Bayou gestarrt und schob jetzt mit dem Daumen seine Kappe in den Nacken. »Ich will ja niemandem die Party versauen, aber wenn Coburn von hier aus den Bayou entlanggefahren ist …«
»Dann sind wir am Arsch«, vollendete Fred den Satz für seinen Bruder.
»Du nimmst mir das Wort aus dem Mund«, bestätigte Doral unglücklich.
Tom verriet seine Ignoranz nur ungern, trotzdem musste er fragen. »Wieso denn?«
»Na ja«, sagte Doral, »von hier aus kann Coburn fünf verschiedene Richtungen eingeschlagen haben.« Er deutete auf die verschiedenen Zuflüsse, die jenseits des Grundstücks in den Hauptlauf des Bayou mündeten.
»Jeder dieser fünf Kanäle verzweigt sich in weitere Kanäle, und die verzweigen sich wieder. Es ist ein ganzes Netz. Womit wir ein riesiges Gebiet an Wasserwegen und Sumpfland abzudecken haben.« Freds Hochgefühl war schon wieder verpufft. Während er aufs Wasser sah, stemmte er die Hände in die Hüften. »Scheiße. Wir hätten diesen Drecksack längst erwischen müssen.«
»Da bin ich ganz deiner Meinung«, meinte Doral.
»Der Typ hat auf der Verladerampe gearbeitet, verflucht noch mal«, knurrte Fred. »Wie schlau kann er schon sein?«
Tom verkniff sich die Bemerkung, die ihm auf der Zunge lag, aber er sagte: »Es sieht fast so aus, als hätte er sich absichtlich diese Stelle ausgesucht, um ein Boot zu stehlen, nicht wahr?«
»Wie konnte er das wissen, wenn er nicht von hier ist?«, fragte Doral.
Fred zupfte den durchgekauten Gummi aus seinem Mund und schleuderte ihn in die dunklen, schlammigen Wasser des Bayou. »Das heißt, er hatte von Anfang an eine feste Fluchtroute.«
Toms Handy vibrierte. Er zog es aus der Tasche. »Meine Frau«, erklärte er den beiden Männern.
»Dann sollten Sie lieber rangehen«, meinte Fred.
Tom sprach nie mit anderen über sein Privatleben, aber er war sicher, dass alle Welt hinter seinem Rücken über ihn und seine Frau sprach. Lanny wurde dabei nie erwähnt, aber jeder, der die VanAllens auch nur vom Namen her kannte, wusste von ihrem Sohn. Jemand mit einer so schweren Behinderung wie Lanny erregte Mitleid und Neugier, und das war auch der Grund, warum sich Tom und Janice nie mit ihm in der Öffentlichkeit gezeigt hatten. Sie wollten nicht nur sich selbst, sondern auch ihrem hilflosen Sohn die Peinlichkeit ersparen, angeglotzt zu werden.
Selbst ihre Freunde – ihre früheren Freunde – hatten eine morbide Neugier an den Tag gelegt, die Janice und ihm so unangenehm war, dass sie irgendwann alle Verbindungen gekappt hatten. Sie trafen sich mit niemandem mehr. Außerdem hatten all ihre Freunde normale, gesunde Kinder bekommen. Es war qualvoll, zuhören zu müssen, wenn sie über Schulaufführungen, Geburtstagspartys und Fußballspiele plauderten.
Er drehte den Männern den Rücken zu und nahm das Gespräch an. »Ist alles in Ordnung?«
»Alles gut«, erwiderte sie. »Ich wollte mich nur kurz erkundigen. Wie läuft es so?«
»Wir haben gerade einen Durchbruch erzielt.« Er erzählte ihr, was sie eben entdeckt hatten. »Die gute Nachricht ist, dass wir wahrscheinlich seine Fährte aufgenommen haben. Die schlechte ist, dass sie in den Bayou führt. Keine Ahnung, wie wir so viel Sumpfland absuchen sollen.«
»Wie lange bleibst du noch?«
»Ich wollte gerade zurückfahren. Aber warte nicht mit dem Abendessen. Ich muss noch ins Büro, bevor ich nach Hause komme. Wie geht es Lanny?«
»Das fragst du jedes Mal.«
»Weil ich es jedes Mal wissen will.«
Sie seufzte. »Es geht ihm gut.«
Tom wollte ihr schon für die Auskunft danken, ließ es dann aber sein. Es war ihm selbst zuwider, dass er jedes Mal das Gefühl hatte, ihr danken zu müssen, nur weil sie seine Frage nach dem Befinden ihres Sohnes beantwortete. »Wir sehen uns dann«, sagte er nur und legte sofort auf.
Der Fund des Schuhabdrucks und der Blutstropfen hatte den abgeschlafften Polizisten, die an der Verbrecherjagd teilnahmen, neue Kräfte verliehen. Man ließ frische Spürhunde kommen. Mrs. Thibadoux krakeelte immer wieder von ihrer Veranda aus, dass sie alle Schäden ersetzt haben wollte, die sie in ihrem Garten oder an ihrem Steg anrichteten. Ohne ihr Beachtung zu schenken, organisierten Fred und Doral die weitere Suche und teilten die Zuständigkeiten unter den verschiedenen Polizeibehörden neu auf.
So wie Tom es sah, war es der ideale Augenblick, um sich zu verziehen. Niemand würde merken, dass er verschwunden war,
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