Böses Herz: Thriller (German Edition)
Vergessen Sie nicht, dass ich für die nur eine ›Beute‹ bin und nichts zu verlieren habe. Und bevor Sie irgendwelche Tricks versuchen, denken Sie daran, dass ich neben Ihrer Tochter stehe.«
Inzwischen tuckerte der Bootsmotor im Leerlauf. Sie sah Lichter zwischen den Bäumen tanzen und hörte mehrere Männerstimmen.
»Haben Sie verstanden?«, bohrte er nach und schüttelte sie leicht.
Sie nickte.
Ganz langsam ließ er sie los und löste die Hand von ihrem Mund. Sie drehte sich zu ihm um. »Ich flehe Sie an, tun Sie ihr nichts«, flüsterte sie.
»Das liegt allein in Ihrer Hand.«
Er drehte sie wieder um und stupste ihr den Pistolenlauf in den Rücken. »Los.«
Ihre Beine schlotterten. Sie griff nach dem Türknopf, atmete mehrmals tief durch, zog dann die Tür auf und trat auf die Veranda.
Zwei Männer kamen den Weg vom Bootssteg herauf, schwenkten dabei die Taschenlampen über ihr Grundstück und durchleuchteten mit den gleißenden Strahlen das Gebüsch. Sie trugen Marken an ihren Uniformhemden. Und Pistolen an ihren Hüften. Einer hob grüßend die Hand.
»Sind Sie Mrs. Gillette?«
»Ja.«
»Keine Angst, Madam. Wir sind Hilfssheriffs.«
Getreu Coburns Anweisungen blieb sie knapp vor den Verandastufen auf dem Rasen stehen. Sie wusste, dass er sie von Emilys Kinderzimmerfenster aus beobachtete. Seine Warnung hallte immer noch in ihrem Kopf nach und schnürte ihr die Kehle zu.
Sie versuchte ihre Angst als Neugier zu tarnen und fragte: »Ist irgendwas passiert? Was kann ich für Sie tun?«
Die beiden stellten sich mit Namen vor und zeigten ihre Ausweise. »Wir suchen nach einem Verdächtigen in Zusammenhang mit der Schießerei gestern Abend in Tambour.«
»Ich habe davon gehört. Das ist ja schrecklich.«
»Ja, Madam. Wir haben Grund zu der Annahme, dass sich der Verdächtige noch in unserer Gegend aufhält.«
»O Gott.«
Der Deputy tätschelte beschwichtigend die Luft zwischen ihnen. »Er könnte Meilen von hier entfernt sein, aber wir fahren alle Häuser an diesem Bayou ab, weil wir hoffen, dass uns jemand einen nützlichen Hinweis geben kann.« Er ratterte eine knappe Beschreibung des Mannes herunter, der sich in ihrem Haus versteckte. Im Geist sah Honor ihn mit gezogener Pistole über ihrer Tochter stehen.
Darum antwortete sie auf die Frage des zweiten Deputys, ob sie jemanden gesehen habe, auf den diese Beschreibung passen würde, ohne zu zögern mit »nein«.
»Ist hier heute jemand in einem kleinen Boot vorbeigefahren?«
Sie schüttelte den Kopf. »Aber ich habe auch nicht darauf geachtet. Meine Tochter und ich haben uns eine Magengrippe eingefangen.«
»Das tut mir leid.«
Honor bedankte sich mit einem kurzen Nicken.
»Leben Sie allein hier, Madam?«
»Mit meiner Tochter, ja.«
»Also, bitte seien Sie auf der Hut, Mrs. Gillette, und rufen Sie sofort die Polizei, falls Ihnen etwas Ungewöhnliches auffällt.«
»Natürlich.«
»Am besten schließen Sie bis auf Weiteres alle Türen und Fenster ab.«
»Das mache ich grundsätzlich.«
Der eine Deputy tippte sich bereits an die Hutkrempe. Der andere trat einen Schritt zurück.
Gleich würden sie wieder abfahren! Was sollte sie nur tun? Sie musste etwas unternehmen. Sollte sie ihnen ein Zeichen geben?
Vergessen Sie nicht, dass ich für die nur eine »Beute« bin und nichts zu verlieren habe.
»Wir möchten Sie nicht länger stören. Noch einen angenehmen Abend.«
Sie kehrten um und gingen über den Rasen davon.
Sie konnte sie unmöglich einfach gehen lassen! Herr im Himmel, unternimm etwas, Honor! Aber was konnte sie tun, ohne Emilys Leben zu gefährden?
Es liegt allein in Ihrer Hand.
Ja, es lag allein in ihrer Hand. Es lag in ihrer Hand, das Leben ihrer Tochter zu retten. Aber wie? Wie?
Plötzlich drehte sich einer der Deputys zu ihr um. »Ach, Mrs. Gillette?«
Sie hielt den Atem an.
»Ich kannte Ihren Mann«, sagte er. »Er war ein guter Polizist.«
Ihr Mut verpuffte und mit ihm ihre letzte Hoffnung, die beiden auf die Gefahr aufmerksam zu machen, in der sie schwebte. Sie murmelte nur: »Danke.«
Er tippte nochmals an seine Hutkrempe, wandte ihr wieder den Rücken zu und ging über den Rasen zum Steg hinunter.
Sie drehte sich ebenfalls um, stieg die Stufen zur Veranda hoch und verschwand im Haus. Coburn stand jenseits des Wohnzimmers im Flur, zwischen ihr und Emily.
»Schalten Sie das Licht auf der Veranda ein. Stellen Sie sich so hin, dass man Sie sehen kann, und winken Sie den beiden zu.«
Sie folgte seinen
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