Böses Herz: Thriller (German Edition)
traumatisiert werden könnte, wenn sie zusehen musste, wie Elmo ausgeweidet wurde. »Bitte.«
Halb von Emily abgewandt, untersuchte er Elmos Inneres, nahm sogar die Batterien heraus und sah darunter nach, schloss den Klettverschluss aber wieder, als er sich überzeugt hatte, dass nichts in dem Spielzeug versteckt war, und reichte Emily dann ihren Elmo zurück.
Honor las weiter vor. Die Geschichte endete mit dem klassischen »Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute«. Honor wartete ab, bis Emily ihr Gutenachtgebet aufgesagt hatte, küsste sie auf beide Wangen und drückte sie danach ein bisschen fester und länger an ihre Brust als sonst, denn schließlich war es nicht ausgeschlossen, dass sie ihre Tochter heute zum letzten Mal ins Bett gebracht hatte.
Sie versuchte sich diesen Moment einzuprägen, ihn in ihrem Herzen und in ihrer Erinnerung einzumeißeln, weil sie auf keinen Fall vergessen wollte, wie Emilys süßer kleiner Körper roch, der sich so unglaublich klein, zerbrechlich und verletzlich anfühlte. Die Mutterliebe drohte ihr Herz zu sprengen.
Aber schließlich musste sie ihre Tochter loslassen. Sie bettete Emily auf ihr Kissen und zwang sich, aus dem Zimmer zu schleichen. Coburn wartete im Flur auf sie. Während sie die Tür zuzog, blickte sie in die gefühllose Maske seines Gesichts.
»Bitte lassen Sie sie nicht zusehen, wenn Sie … mir etwas antun. Sie stellt keine Gefahr für Sie dar. Sie hätten nichts gewonnen, wenn Sie ihr wehtun. Sie …«
Ein Handy läutete.
Er erkannte, dass es ihres war, zog es aus der Tasche, las das Display ab und reichte es ihr. »Wir machen es genauso wie vorhin. Sie stellen auf Lautsprecher. Erkundigen Sie sich nach der Jagd auf mich, aber nicht allzu plump.«
Sie drückte den Knopf. »Hi, Stan.«
»Wie geht es euch? Ist mit Emily alles in Ordnung?«
»Du weißt, wie Kinder sind. Die erholen sich von solchen Geschichten schneller als wir Erwachsenen.«
»Dann bleibt es bei morgen Abend?«
»Natürlich.« Den Blick in Coburns blutunterlaufene Augen gerichtet, fragte sie: »Gibt es was Neues über den Typen, nach dem ihr sucht?«
»Er ist immer noch auf freiem Fuß, aber es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sie ihn haben. Inzwischen ist er seit vierundzwanzig Stunden auf den Beinen. Entweder ist er schon tot, oder er ist so geschwächt, dass er leichte Beute ist.«
Er erzählte ihr von dem gestohlenen Boot und wo Coburn es gestohlen hatte. »Dutzende von Booten suchen alle Wasserwege ab, nötigenfalls die ganze Nacht durch. Die ganze Gegend wird durchkämmt.«
»Aber wenn er ein Boot hat …«
»Soweit ich weiß, ist es nicht besonders zuverlässig. Niemand glaubt, dass er weit damit kommt.«
»Vielleicht ist es schon gesunken«, meinte Honor.
»Dann werden sie von dort aus seine Fährte aufnehmen, falls er nicht mitsamt dem Boot untergegangen ist. Das gesamte Festland wird von den besten Spurenlesern und Spürhunden abgesucht.«
Er ermahnte sie, sich auszuschlafen, wünschte ihr eine gute Nacht und beendete das Gespräch. Als Coburn ihr das Telefon abnahm, verließ sie der letzte Mut. Stans Antworten verhießen nichts Gutes für sie und Emily. Je schlechter die Fluchtchancen für Coburn standen, desto schlechter standen auch ihre und Emilys Chancen.
Aber sie wollte ihm auf keinen Fall zeigen, wie verzweifelt sie inzwischen war, sondern versuchte ihm stattdessen die Aussichtslosigkeit seiner Lage vor Augen zu führen. »Warum verschwinden Sie nicht lieber aus der Gegend, bevor Sie hier alle Wände aufreißen? Sie können mein Auto nehmen. Bis zum Tagesanbruch sind Sie bestimmt schon in …«
Ihre Worte verstummten abrupt, als sie das kehlige Knurren eines kleinen Motors hörte, der langsam näher kam. Sie drehte sich von Coburn weg und stürmte ins Wohnzimmer.
Doch falls Coburns Reflexe durch die Erschöpfung verzögert waren, bekamen sie durch das Brummen des Motorbootes schlagartig neuen Antrieb. Noch bevor sie das Wohnzimmer zur Hälfte durchquert hatte, hatte er sie eingeholt. Ein Arm schloss sich wie eine Schraubzwinge um ihre Taille und quetschte sie gegen seinen Leib, während die andere Hand mit aller Kraft auf ihren Mund drückte.
»Machen Sie bloß keine Dummheiten, Honor«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Fangen Sie die Leute ab, bevor sie an der Veranda sind. Reden Sie so laut, dass ich Sie hören kann. Wenn ich das Gefühl bekomme, dass Sie versuchen, ihnen Zeichen zu geben, dann werde ich ohne zu zögern handeln.
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