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Boeses Mädchen

Boeses Mädchen

Titel: Boeses Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amélie Nothomb
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wärst, dann wüßtest du, daß so was in Freundschaften ganz normal ist. Und vergiß nicht, daß sie es war, die dich mitgenommen hat! Ohne sie hättest du dich doch nie getraut, auf diese Fete zu gehen. Und jetzt bist du froh darüber, was dir dort passiert ist. Ja, sie ist ein Satansweib, aber sie lehrt dich das Leben, und das hast du bitter nötig, ob du es willst oder nicht!
    Das ist wieder typisch, du schlägst dich auf die Gegenseite und findest für alles eine Entschuldigung! Wie viele Niederlagen willst du noch einstecken, bis du dich endlich wehrst? Wenn du keinen Respekt vor dir selbst hast, darfst du dich auch nicht wundern, daß sie dich behandelt wie den letzten Dreck!
    Willst du vielleicht von ihr verlangen, daß sie sich entschuldigt? Da würdest du erst dumm aussehen! Klüger wäre, du zeigst ihr gar nicht, wie verletzt du bist. Du solltest da wirklich drüberstehen! Verbeiß dich doch nicht so in deinen Verfolgungswahn!
    Waschlappen! Was wirst du noch alles finden, damit du dir deine Feigheit nicht eingestehen mußt?
    Jetzt übertreibst du aber! Christa ist nicht der Teufel. Sie hat ihre guten und ihre schlechten Seiten. Sie hat sich in deiner Welt eingenistet, und du wirst sie nicht wieder los. Aber eins kannst du nicht leugnen: Sie ist das Leben. Sie hat das Talent dazu, du nicht. Versuch nicht ständig, gegen den Strom des Lebens zu schwimmen, das führt doch zu nichts, außer daß du leidest, wenn du dich immer verweigerst. Verschanz dich nicht so! Gib dich dem Leben hin, dann mußt du dich nicht mehr so quälen.
    Der innere Zwiestreit fand einfach kein Ende. Ich zwang mich, an etwas anderes zu denken. Der Kuß des Unbekannten fiel mir wieder ein. War es nicht unglaublich, daß mir das widerfahren war? Und meine Verdrehtheit war ihm gar nicht aufgefallen! Eine wunderbare Neuigkeit: Man konnte sie einfach übersehen!
    Ich versuchte mich daran zu erinnern, wie Renaud aussah. Sein Gesicht war mir völlig entfallen. Nichts weniger Romantisches als so ein billiger Flirt, doch das war mir egal. Ich verlangte nicht mehr vom Leben.
     
    »Blanche hat gestern ihren ersten Kuß gekriegt!« verkündete Christa abends meinen Eltern.
    Ungläubig sahen sie mich an. Ich kochte vor Wut, sagte aber kein Wort.
    »Ist das wahr?« wollte meine Mutter von Christa wissen.
    »Ich hab’s doch mit eigenen Augen gesehen!«
    »Und was war das für ein Junge?« fragte mein Vater.
    »Er war normal«, sagte ich trocken.
    »Kam nicht so drauf an«, sagte Christa.
    »Das ist doch wunderbar«, sagte meine Mutter, als ob sie das für einen großartigen Stammbaum hielte.
    »Wie schön für Blanche«, sagte mein Vater.
    Dann fingen sie alle drei zu lachen an. Wie glücklich sie doch waren!
    Ich sah vor meinem inneren Auge eine Meldung in der Rubrik Vermischtes : »Vater, Mutter und beste Freundin von Sechzehnjähriger bestialisch ermordet. Die Polizei steht vor einem Rätsel.«
    »Und wie war’s, Blanche?« fragte meine Mutter.
    »Das geht dich nichts an«, erwiderte ich.
    »Sie braucht eben ihre kleinen Geheimnisse«, sagte Christa.
    Neuer dreifaltiger Lachanfall.
    »Jedenfalls kannst du dich bei Christa dafür bedanken, sie hat dich schließlich dorthingebracht«, sagte mein Vater.
    Die Meldung nahm in meinem Kopf allmählich Gestalt an: »Ein sechzehnjähriges Mädchen ermordet kaltblütig seine beste Freundin und vergiftet seine Eltern mit einem Ragout, das sie aus deren Leiche zubereitet.«
     
    Als ich mit Antichrista allein war, hörte ich mich zu meiner größten Überraschung sagen: »Bitte sei so freundlich und erzähle meinen Alten nie wieder Sachen, die sie nichts angehen.«
    »Oh, là, là …« gab sie zurück.
    »Genau! Und wenn dir was nicht paßt, kannst du ja gehen.«
    »Reg dich nicht so auf, Blanche, ist ja gut, ich werde ihnen nichts mehr erzählen.«
    Dann schwieg sie verwundert. Ich empfand das als unerwarteten Sieg. Warum hatte ich nicht schon früher so mit ihr gesprochen? Wahrscheinlich aus Angst, von meiner Wut überwältigt zu werden. Jetzt hatte ich mir bewiesen, daß ich mir Respekt verschaffen konnte, ohne die Kontrolle zu verlieren. Ich prägte mir meine Heldentat gut ein, um sie bei nächster Gelegenheit zu wiederholen.
     
    Diese heroische Episode gab mir für ein paar Tage Kraft. Es gelang mir, an der Uni und auch zu Hause großzügig über die Besatzerin hinwegzusehen. Allerdings beobachtete ich sie heimlich, um eine Antwort auf die Frage zu finden: Ist sie nun schön oder häßlich?
    Das

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