Boeses mit Boesem
wie meine eigene. Schließlich war er der respektable Arzt und ich der ehemalige Patient, den man den Wölfen zum Fraß vorgeworfen hatte. Ich hatte ihn ja möglicherweise nur wegen eines Rezepts oder eines Almosens angerufen, aber trotzdem war er bereit, mich zu sehen.
»Ich habe da etwas, das ich Ihnen zeigen muss«, sagte ich. »Gibt es hier einen separaten Raum mit einem Fernsehgerät darin?«
»Ich wüsste da was«, antwortete Brown. »Falls Sie mir einen Porno aus Ihrer Privatvideothek zeigen wollen, würde ich aber gerne noch ein paar Investoren dazu einladen. Vielleicht komme ich damit ja weiter.«
»Tut mir leid, Doc, ich bezweifle, dass Sie das hier sehen wollen.«
Brown führte mich ins Tagungszentrum. Von außen sah das Javits aus wie der abgeworfene kristallartige Chitinpanzer eines Rieseninsekts. Von innen war es einfach nur wie ein Einkaufszentrum ohne Läden. Browns Tagung fand ganz oben statt, in der Galleria und dem River Pavillon.
Ärzte ohne Kittel standen mit Hostessen und geschniegelten Firmenvertretern zusammen. Ich hatte keine Ahnung, was da angepriesen wurde, aber das überstylte Ambiente war mir von Werbeplakaten bekannt. Tagungen waren ein ebenso fruchtbarer Boden für das Brechen von Ehegelübden wie ein Hotel voller Exfreundinnen. Mein professioneller |281| Blick war unwillkürlich auf der Suche nach selbst ernannten Casanovas.
Ich entdeckte mehr als einen. Sie hatten einen Ausdruck entschlossenen Hedonismus’ in den Augen, wie Studenten im Urlaub. Sie verbargen ihn besser als die jungen Leute, aber nicht vor mir und gewiss nicht vor den Frauen, die später an den Bars ihrer Hotels aufkreuzen würden. Mary hätte eines dieser Mädchen sein können. Sie hätte diesen Ort genauso gesehen wie ich: Dollarzeichen in Chinos, die die Zeit totschlugen. Als Brown einen Stand betrat, der auf allen Seiten mit Vorhängen verhängt war, widerstrebte es mir fast, ihm zu folgen. Es kam mir so vor, als ließe ich gutes Geld auf dem Boden liegen.
Der Stand war ein Schaukasten für die Ausrüstung des Knochensägergewerbes. Ein mit scharfem Edelstahlwerkzeug beladener Rollwagen stand neben einem Tisch aus dem gleichen Material.
»Musste es wirklich hier sein, Doc?«
»Sie wollten ein Fernsehgerät«, sagte Brown und zeigte auf den großen Videomonitor auf einem Ständer hinter dem Tisch. »Dies hier ist der Untersuchungsraum der Zukunft.«
»Na ja, er sieht fast genauso aus wie der der Vergangenheit.«
Neben dem Tisch standen zwei, drei komplizierte Apparaturen auf Rädern. Eine davon erkannte ich als Narkosegerät. Meine Augen hatten irgendwie immer auf dieser Front aus blinkenden Lämpchen geruht, während ich darauf wartete, dass die Medikamente wirkten. Normalerweise war das das Letzte, woran ich mich erinnerte, bevor sie in meinem Schädel auf Schatzsuche gingen.
»Vergessen Sie die Möblierung und zeigen Sie mir, was Sie haben«, sagte Brown.
Ich schloss einen Videoplayer an den Monitor an und ließ die Aufnahme meines Anfalls laufen. Als das Video zu Ende |282| war, bat er, es noch einmal sehen zu können. Ich gab ihm das Gerät, damit er die Aufzeichnung so oft betrachten konnte, wie er wollte. Ich hatte sie schon zu oft gesehen.
»Erzählen Sie mir von Ihrer Medikamentenkur«, bat Brown, als er den Film gerade zum dritten Mal anschaute.
»Ich nehme den Cocktail jeden Tag, genau wie Sie es verordnet haben.«
»Keine Änderungen der Dosierung?«
»Nein.«
»Selbst nicht nach diesen beiden …« Wissenschaftliche Vorsicht, nicht Taktgefühl ließen Brown zögern. »Nach diesen beiden Vorfällen?«
»Nein. Sie haben mir ja gesagt, was passieren könnte, wenn ich etwas änderte.« Als der Doc mir den Cocktail zum ersten Mal erklärt hatte, hatte er darauf hingewiesen, dass er nicht zu seiner Zufriedenheit getestet worden war. Das Verhältnis zwischen den Medikamenten zu ändern konnte schwere Nebenwirkungen verursachen, vielleicht sogar zum Tod führen.
»Wie steht es mit der Qualität der Medikamente?«
»Ich habe sie mit legalen Rezepten bei einer regulären Apotheke besorgt.«
Brown wandte seine Augen vom Bildschirm ab. Er wollte wissen, wie ich mir das leisten konnte, war aber anständig genug, sich die Zeit zu nehmen, eine diplomatischere Frage zu formulieren.
»Ich habe eine Erbin geheiratet. Lassen wir das mal so stehen.«
»Vielleicht könnte diese reiche Erbin ja auch für einen guten Arzt sorgen.«
»Jeder, zu dem man mich schickt, wird sagen, dass das alles nur
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