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Boeses mit Boesem

Boeses mit Boesem

Titel: Boeses mit Boesem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elliott Hall
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noch ein paar Seiten und gab mir das Buch dann mit offensichtlichem Widerstreben zurück.
    »Falls das Tagebuch eine Bedeutung hat, geben Sie mir Bescheid, ja?«, bat sie. »Egal was es ist.«
    »Sie haben mein Wort«, antwortete ich. »Sie müssen mir vertrauen, Faye.«
    »Sie vertrauen ja mir nicht«, erwiderte sie. Es war erstaunlich, wie laut sie mit ihren zarten Armen meine Wohnungstür zuschlug.

|150| 8
    Cal und Jack warteten am Gleis sechzehn, genau dort, wo sie es gesagt hatten. Cal las die
Times
, während Jack sich
Soldier of Fortune
vors Gesicht hielt.
    Mein Handy war ebenso sehr eine nützliche Requisite wie ein Kommunikationsmittel. Es verschaffte mir eine Ausrede, mich an jedem beliebigen Ort unauffällig herumzudrücken – einfach ein Kerl, der seine Nachrichten checkt   –, und ich konnte wesentlich länger damit herumspielen als mit meinen Schuhbändern. Ich blieb neben den beiden stehen und drückte ein paar Tasten.
    Aus den Augenwinkeln betrachtete ich die beiden zum ersten Mal unbeeinträchtigt von einem Schädeltrauma. Cal war genau so, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Er war über eins achtzig und hatte einen rasierten Kopf. Nach den Falten in seinem Gesicht schätzte ich, dass er auf die fünfzig zuging, aber er hielt sich gut: Er hatte noch immer den kräftigen Körperbau, den man entwickelt, wenn die Armee einen damit beschäftigt, sich gleichzeitig abzuhetzen und zu warten.
    Jack Small hatte etwas Gewicht zugelegt, das er dringend gebraucht hatte. Sein Haar war kurz und ordentlich geschnitten und mit seinen neuen Jeans und dem Skianorak fiel er in der Menschenmenge nicht auf. Wäre er so in der Grand Central Station aufgetaucht, wie er letztes Jahr ausgesehen hatte, hätten die Leute ihm Münzen zugesteckt.
    |151| »Sie sehen viel besser aus als bei unserer letzten Begegnung, Jack«, sagte ich, das Gesicht noch immer auf die Menschenmenge gerichtet.
    Er überraschte mich mit einem Lächeln. »Meine Deckung ist diesmal nicht so anrüchig.«
    »Danke, dass Sie gekommen sind«, sagte Cal.
    »Es war das Mindeste, was ich tun konnte, in Anbetracht der Umstände.« Ich spürte den Schwarm der Überwachungskameras, der über uns hockte. Sie deckten jeden Ein- und Ausgang ab, jeden Bahnsteig, jeden Warteraum und waren wahrscheinlich auch irgendwo auf den Klos versteckt. »Grand Central ist sonst nicht gerade meine erste Wahl für ein Treffen. Auf diesem Bahnhof gibt es mehr Kameras als bei CNN.«
    »Die taugen nichts«, sagte Cal. »Ihre Auflösung ist so schlecht, dass nicht einmal Ihre eigene Mutter Sie erkennen würde. Wir sind hier, weil es hier etwas gibt, was Sie sehen müssen.« Cal entfernte sich vom Bahnsteig und Jack und ich gingen ihm nach.
    »Wie lange sind Sie mir gefolgt?«
    »Wir sind Ihnen nicht gefolgt«, antwortete Cal.
    »Dann also Judge? Warum interessieren Sie sich für ihn?«
    »Wahrscheinlich aus demselben Grund wie Sie.«
    Das ließ mich unvermittelt stehen bleiben.
    »Wir wollten uns eigentlich unauffällig verhalten«, ermahnte Jack.
    »Das tun wir auch. Ich binde mir jetzt die Schnürsenkel und einer von Ihnen erklärt mir die Sache.«
    »Wir suchen Isaac«, sagte Cal. »Falls Sie nicht die Gewohnheit haben, alte Armeekameraden aufzusuchen, tun Sie wohl dasselbe.«
    »Wer hat Ihnen denn gesagt, dass Judge und ich gemeinsam gedient haben?«
    »Isaac, wer sonst?«, antwortete Jack. »Er hat uns alles |152| über seine Zeit in der Geisterstadt erzählt. Als er Sie das erste Mal erwähnt hat, habe ich gar nicht geschaltet; so, wie er sie beschrieben hat, klang es nach einem ganz anderen Menschen.«
    »Reicht das?«, fragte Cal.
    »Vorläufig«, antwortete ich mit fertig gebundenen Schnürsenkeln.
    Cal führte uns in die große Bahnhofshalle, die wie immer voller Menschen war. Wir blieben zwischen Gleis sechsundzwanzig und Gleis siebenundzwanzig stehen. Die weiße Wand war mit Fotos bedeckt, die meisten zeigten junge Männer. Da waren Familienfotos, Schnappschüsse und ein paar offiziell wirkende Fotografien. Hier etwas aufzuhängen war illegal, aber weder die Polizei noch die Putztrupps hatten die Gedenkstätte entweiht.
    Weiter hinten in der Bahnhofshalle befand sich eine Houston-Gedächtnisstätte wie in jedem größeren Bahnhof oder Flughafen des Landes. Es war ein Miniaturmodell der alten Innenstadt Houstons, von einem berühmten Künstler, dessen Namen ich vergessen hatte, aus Altmetall gefertigt. Wie ich mich erinnerte, hatte er die Stahlträger von Houstoner

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