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Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman

Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman

Titel: Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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und flüsterte mir zu: »Seltsam! Ich kannte den Jungen vom Verein her. Warum nur?«
    Ich hob fragend die Schultern.
    »Enno ist schon der Dritte. Zwei habe ich in diesem Jahr schon hierher begleitet«, sagte der Kollege leise, den ich von Tagungen nur flüchtig kannte. »Komm mit.«
    Ich folgte ihm. Er führte mich auf die andere Seite der Warf.
    »Hier liegt der Erste«, sagte er.
    Ich schaute auf das beschilderte einfache Kreuz, las Namen und Geburtstag. Seine Hand griff nach meinem Arm. Er zerrte mich an ein weiteres Grab. Es lag nicht weit entfernt. Auf einem Familienstein erkannte ich die in Gold gesetzte Gravur. Sie war frisch. Unverwittert standen seine Daten unter acht vor ihm verschiedenen Verwandten.
    »Seltsam«, sagte ich und spürte den Wunsch, diesen Dorffriedhof mit dem klotzigen Backsteinturm so schnell wie möglich zu verlassen. Die Gräber nagten an meinen seelischen Kräften. Von der anderen Seite der Warf hörte ich die Stimme des Pastors. Die einfache Kleidung der Landmenschen, der fehlende Luxus, der mitten im platten Land gelegene Friedhof, der von Menschen, die früher hier gelebt hatten, als letzter Zufluchtsort zum künstlichen Hügel errichtet worden war, um bei Sturmfluten in Gottes Nähe um Erhörung zu flehen, gestaltete Ennos letzte Reise für mich zur Gruselszene.
    Kommissar Feenwegen hatte sich uns genähert.
    »Meine Herren Lehrer, was halten Sie davon?«, fragte er uns.
    Ich antwortete: »Enno Warfenknecht war, wie ich soeben erfuhr, der dritte Selbstmörder der kleinen Dorfgemeinschaft.«
    »Hat die Polizei sich darüber Gedanken gemacht?«, fragte mein Kollege.
    Der Kriminalbeamte antwortete missmutig: »Wir glaubten anfangs, Warfenknecht hätte uns auf eine Spur gebracht, die uns zu den Motiven seines Todes führen würde und damit auch Licht in die Hintergründe der beiden anderen Selbstmorde bringen könnte. Aber es blieb bei unseren Vermutungen. Das LKA kann uns auch nicht weiterhelfen.«
    »Vielleicht müssen wir Pädagogen in Zukunft häufiger mit seelischen Kurzschlüssen fertig werden«, sagte ich müde, denn mir lag nur daran, diesen makabren Ort schnell hinter mich zu bringen.
    Ich spürte das Kribbeln in mir, als Feenwegen mich an der Schulter hielt. In seinem scharf geschnittenen Gesicht las ich dienstlichen Eifer. »Nicht so voreilig, Herr Oberstudienrat. Der Junge war uns nicht ganz ohne Verdachtsmomente in die Fänge geraten. Das, was wir in seinem Auto fanden, belastet ihn immer noch. Nur, es führt uns nicht zu seinen Mittätern. Warfenknecht war ein Glied einer Kette. Uns fehlt das Anschlussstück.«
    Ich war erleichtert, als auch er seine Schritte in Richtung der Grabstätte setzte. Die meisten Besucher hatten den Friedhof bereits verlassen. Die Motoren der abfahrenden Autos drangen in die Stille. Eine Handvoll dunkel gekleideter Menschen stand immer noch im Zug des Windes zwischen den Kreuzen auf der Schräge der Warf.
    »Halten Sie Ihre Ohren offen im Kreise ihrer Schüler«, sagte Kommissar Feenwegen zu uns, »denn der Friedhof hat noch viel Platz. Es wäre schade, wenn wir uns vor einem vierten Grab treffen müssten.« Er reichte uns die Hand, und ich sah ihm nach, wie er, die Hände in den Taschen seines blauen Trenchcoats vergraben, hoch erhobenen Hauptes, als ginge ihn das alles nichts mehr an, den Steinweg abwärts schritt und hinter der bröckeligen Mauer verschwand.
    »Nimmst du teil an Butterkuchen und Tee?«, fragte mich mein Kollege.
    »Nein. Tschüss. Mach es gut«, sagte ich und ging zum Bus.
    Meine Schülerinnen und Schüler saßen bereits in den Sitzen. Keiner sagte ein Wort. Selbst der Fahrer, der die Beerdigung aus der Fahrerkanzel beobachtet hatte, schwieg. Ich suchte Hinnis Blick. Er nickte mir zu.
    »Wir können fahren«, sagte ich.
    In meiner Wohnung fand ich nicht den erhofften Abstand. Ich stand lange auf dem Balkon und blickte in die Stadt. Entschlossen packte ich meine Saunatasche, in der Hoffnung, dass Gregor sich ebenfalls am Samstagnachmittag vom beruflichen Stress der Woche erholen wollte. Er konnte mich vielleicht mit munteren Gesprächen aufheitern.
    Der Himmel war noch immer grau. Die Straßen lagen leer vor mir. Die hohen Mietskasernen hielten den Wind fern. Ich musste endlich Enno und seinen Selbstmord vergessen. Sicherlich wäre er nur eine Episode in meinem Berufsleben gewesen, wenn nicht die Sache mit Anja und Erika passiert wäre.
    Ich schritt an der Auslage des Blumengeschäftes vorbei. Die dicht gefüllten großen Vasen

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