Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman
mickrig.
»Es tut mir leid, Herr Kommissar, ich muss mich auf meine Arbeit konzentrieren und Enno endlich vergessen.«
Feenwegen blieb stehen. »Herr Beruto, in Upplewarf bin ich wie ein Hausierer von Haus zu Haus gegangen. Ich habe die Angehörigen des Boßelvereins, des Sportvereins und Nachbarn befragt, alle mochten ihn, doch keiner konnte Motivhinweise liefern. Dennoch, so glauben Sie mir, ist es sein Geheimnis gewesen, das ihn den Tod hat wählen lassen.«
Ich reichte ihm die Hand. Sein Druck war so fest wie beim ersten Kennenlernen.
»Dann wünsche ich Ihnen gute Erholung«, sagte Feenwegen. Er entfernte sich mit großen Schritten. Seine breiten Schultern spannten den Trenchcoat. Ein Mann, der alles mitbrachte, was man von einem Kommissar erwarten konnte, dachte ich und freute mich auf mein Schwitzbad.
Ich hatte lange in den Sonntagmorgen hinein geschlafen, und selbst das feierliche Geläut der Nikolauskirche hatte mich nicht wecken können. Mit tristen Gedanken bereitete ich mir mein Frühstück vor. Danach beschäftigte mich mein kleiner Haushalt mit den üblichen Aufräumarbeiten. Mir wurde bewusst, dass Einsamkeit, schlimmer noch, das mit ihr verbundene Grübeln, einen Menschen seelisch gefährden und krank machen kann.
Ich dachte an Gregor und wollte ihn besuchen. Aber sofort fiel mir ein, dass er den Sonntag bei seiner schwangeren Tochter und seinem Schwiegersohn verbringen wollte.
Ohne ein direktes Ziel vor Augen zu haben, schloss ich meine Wohnung ab, holte meinen Golf aus der Garage und fuhr los. Das Wetter spielte bereits frühlingshaft verrückt. Dunkle, schwarze, bauchige Wolken entluden sich mit wirbelnden Schneeflocken, während schlagartig aus den aufgerissenen Löchern die Sonne grell durchstach.
Ich ließ meinen Wagen langsam durch die Stadt rollen, entschloss mich dann, über die Küstenstraße zu fahren. Zeit hatte ich genug. Aus meinem Autoradio drang feierliche Orgelmusik zu mir. Ich schaltete auch nicht ab, als der Dechant mit gewählten Worten nach Gleichnissen suchte und auf die Besucher des Hochamtes, das aus dem Quirinus-Münster zu Neuss übertragen wurde, einredete. Ich hatte das Gefühl, während ich meinen Wagen auf der langen Asphaltstraße am begleitenden Deich entlangsteuerte, allein zu sein. Das Gras der weiten Wiesen fraß den Schnee der Schauer und widersetzte sich mit mattem Grün dem scheidenden Winter. Die Höfe lagen mit ihren roten Dächern unter dem wechselnden Wolkenhimmel wie in die Landschaft hineingeworfen.
Mir gefiel diese Gegend, deren Menschen es trotz der Hektik unserer Zeit verstanden, traditionelles Landleben zu pflegen. Selbst die kleinen Dörfer, die zumeist nur aus einer Handvoll Häuser bestanden und sich um die auf Warfen stehenden buckeligen Backsteinkirchen geschart hatten, wirkten urig, gemütlich und anheimelnd.
Ich näherte mich Berumersiel. Die an hohen Schiffsmasten hängenden Fischernetze lugten über den Deich. Einige katenähnliche rote Steinhäuser gruppierten sich um den Dorfeingang. Seitlich lag die »Alte Mühle«, ein Fotomodell für Touristen. Das alte Sieltor durchbrach den Deich. Ein langer Kai endete am offenen Meer.
Ich stellte meinen Wagen seitlich auf den mit Betonsteinen gepflasterten Platz vor der hohen Mauer ab, die wie eine Wehranlage eine hoch gelegene Zeile alter Fischerhäuser vom Hafen trennte. Die Fischkutter mit ihren bunten Rümpfen schaukelten leicht an ihren Tauen. Die Sonne löste sich für wenige Minuten aus den Wolken und warf ihr volles Licht in das Hafenbecken. Möwen segelten im Wind und ihre Schreie vereinten sich mit dem Plätschern des Wassers und drangen in die Stille.
Das Bild gefiel mir, und ich bedauerte es erneut, dass ich das Gewirr der Zahlen beherrschte, es mir aber nie gelingen würde, diese Idylle mit Pinsel und Farbe festzuhalten.
Langsam schritt ich am Kai entlang, schaute auf die Fischerboote und sah dem alten Mann zu, der im dunklen Troyer weltvergessen eine Spindel durch die Netze zog. Seine Pfeife hing ihm aus dem Mundwinkel. Unter seiner Mütze lag ein grauer Haarkranz. Am liebsten hätte ich ihm die Hand gedrückt und ihn um einen Schnaps gebeten.
Ich ging zum Molenkopf, suchte am grauschwarzen Horizont die Insel und beobachtete die tiefe, dunkle Wolke, die mir entgegentrieb und kurz vor ihrer Entladung das grünlich schimmernde Wasser überschattete. Über die seitlich hochführenden Stufen gelangte ich auf die Mauer. Von dort sprang ich auf den mit Klinkern gepflasterten Weg,
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