Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman
Kopf schmerzte leicht. Ich wusste, dass nicht der kühle, böige Wind die Ursache gewesen sein konnte, sondern die vielen sprunghaften Gedanken, die meine Fantasie ständig in Bilder umgesetzt hatte.
»Was für ein Tag!«, stöhnte ich, und meine innere Rückschau stimmte mich glücklich, als ich Elkes schönen Körper vor mir sah und den Klang der Musik von Dvořák in meinen Ohren hallte.
Ich war vor Jahren mit Erika in Prag gewesen. Wir hatten in den alten Cafés gesessen und auf die Karlsbrücke geschaut. Unser Spaziergang entlang der Moldau unter den Strahlen einer rot untergehenden Oktobersonne gehörte zu den Stunden, die Erika und ich, so hatten wir uns vorgenommen, mit in unser Alter nehmen wollten.
Ich fuhr langsam. Vor dem Dorfkrug parkten viele Autos.
Es war seltsam. Bei meinem Blick auf den erleuchteten Gasthof verspürte ich ein bedrohendes Gefühl. Eine innere Unruhe ergriff mich und trieb mich plötzlich zu Ennos Grab. Zuerst sträubte ich mich, wollte den Gedanken von mir schieben. Mir fielen die vielen Gruselgeschichten meiner Kindheit ein, und ich dachte an die Kälte, die Friedhöfe in der Dunkelheit ausstrahlen.
Parkprobleme gab es nicht. Ich stellte meinen Golf dicht an die kleine Eingangspforte. Durch die Windschutzscheibe sah ich die dunklen Umrisse des Glockenturms. Nur gelegentlich fielen durch die Wolkenbänke Strahlen des zunehmenden Mondes.
Ich entnahm meinem Handschuhfach meine Taschenlampe. Für Sekunden saß ich still, meine Hände umschlossen verkrampft die Metallhülse des Handscheinwerfers, während ich versuchte, Herr meiner Nerven zu werden. Entschlossen zog ich die Schlüssel aus dem Zündschloss und verließ meinen Golf.
Kreuze und Grabsteine formten schemenhaft bedrohliche Umrisse. Die Kirche lag wie eine dunkle Burg auf der Warf. Für Sekunden stand ich lauschend vor der kleinen geöffneten Eisentür in der Mauer. Über diese Stege waren die alten Frauen geschlichen, als sie ihre Füße unter ihren gebeugten Körpern auf den festen Grund setzten, den Himmel über sich wussten und im Gebet das Gespräch mit Gott suchten.
Der plötzliche Ruf einer Eule nahm mir fast den Mut. Ich schaltete die Taschenlampe ein, hielt den Strahl auf den Boden vor mir gerichtet und schritt drauflos. Der Wind umfing mich. Mir war kalt. Ich leuchtete die Gräber an, beobachtete, wie sich die Lebensbäume leicht im Wind beugten und die goldenen Namensgravuren auf den Steinen aufleuchteten.
Ennos Grab war bereits abgesackt. Das Grün einiger Kränze hatte sich bräunlich gefärbt. Die Schleifen, zerzaust vom Wind, waren nur noch Fetzen. Wie ein riesiger überdimensionaler Maulwurfhügel kam mir Ennos letzte Ruhestätte vor.
Mit kleinen Schritten umrundete ich das Grab, las Wortfetzen und im Schein der Lampe starrte ich auf das wirre Durcheinander.
Dann fiel mir der frische Kranz auf. Rote und weiße Nelken, wie zur vollen Blüte gereift, bündelten sich auf blau schimmernden Tannenzweigen. Ich bückte mich, griff nach den schwarz-weiß-roten Schleifen und las die fett gedruckten in Versalien geschriebenen Wörter:
SO JUNG UND SCHON EIN ALTER KAMERAD.
Darunter befand sich ein winziges stilisiertes Kreuz, das aus der Ferne nur als schwarzer Punkt zu erkennen war.
Ich dachte an die Männer, die im Schrittmaß mit »eins, zwei – eins, zwei ...« in den Dorfkrug einmarschiert waren. Wieder befiel mich das Gefühl einer fernen Bedrohung. Für Sekunden konzentrierte ich mich auf Enno. Ich hoffte vergeblich auf Zeichen, die mir kundtun sollten, dass er, wie Erika und meine kleine Anja, dort sein würde, wo es keine Qualen und Schmerzen gab.
Mein Gesicht brannte. Ich versuchte, alles von mir zu werfen, was mich an diesem Abend bedrückte. Der Wind drehte auf, Schneeflocken trieben mir entgegen. Ich sah, wie sie sich weich auf die Nelken setzten, und wusste, dass ich den Friedhof so schnell wie möglich verlassen musste. Meine Schritte wurden schneller, und meine Flucht wurde nicht von den wirbelnden Flocken der Böen angetrieben, sondern von der Angst vor der mit Kreuzen und Grabsteinen voll bestückten Warf.
5
In der Nacht vom Sonntag auf den Montag hatten mich Träume geläutert. Mehrmals war ich aufgewacht, als mein Unterbewusstsein mich in kritische Situationen gesteuert hatte. Aber die Welt des Traumes ließ mich mit Elke auch Angenehmes erleben.
Ich gönnte mir ein Duschbad, frühstückte wie ein König und vergaß Wetter, Wind und Wolken, als ich durch den Bismarckpark zur Schule
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