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Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman

Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman

Titel: Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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»Elke, leg bitte Dvořák auf.«
    Die Kerze flackerte, und die Flamme warf schattige Bänder über Bücherborde und die Fotos von Enno. Elke musste gefühlt haben wie ich. Sie setzte sich zu mir auf die Couch, legte ihre Arme um mich, und wir lauschten der Musik. Erst als der Komponist die neue Welt verließ und sich die Musik im Plätschern der Moldau verflüchtigte, zog ich Elke aus, warf ohne Hektik, ihren Körper genießend, ihre Kleidungsstücke auf den Boden und fand mich mit Elke ein in die Musik, in den träge fließenden Fluss, der sich ewig durch die schmale Rinne seinen Weg suchen wird, während wir irgendwann unsere Körper verlassen müssen. Es gab nur Elke und mich. Die Welt bestand aus uns. Schreiben, Dichten, die Krone gehörte den Schöpfern solcher Musik, wie sie Dvořák geschaffen hatte.
    Als ich mich von Elke verabschiedete, legte sie sich die dicken Lehrbücher auf den Schreibtisch.
    »Tschüss!«, sagte sie und küsste mich heiß. Ihre Eltern waren noch nicht zurück, und sie begegneten mir auch nicht, als ich über den Plattenweg nach Hause fuhr.
    Frau van Aaken, eine resolute und kräftige Erscheinung, lehnte höflich ab, als ich sie einlud, mit mir in meiner Wohnung eine Tasse Tee zu trinken. Wir standen unter dem Schutz des Betonvorsprungs, der über der Haustür die schweren Regenschwaden abfing.
    »Ich bin in Eile«, sagte sie höflich. »Ein paar notwendige Einkäufe, Herr Beruto, und dann drängen die Termine im pädagogischen Landleben.« Sie reichte mir die Schulhefte, schlug den Kragen des gelben Regenmantels hoch, rief »Tschüss!« und rannte zu ihrem Auto.
    Ich winkte ihr nach. Die farbigen Schulhefte lagen leicht in meiner Hand. Ich dachte an den Pastor, der mich nicht ohne Absicht zum Leser seiner Geheimnisse auserkoren hatte. Der auf die Erde klatschende Regen stimmte mich missmutig.
    Ich betrat meine Wohnung, suchte im Schrank nach meinem Trenchcoat, holte meinen Golf aus der Garage und fuhr zu Gregor.
    Die Vorzimmerdame ließ mich durch. »Der Chef hat keinen Besuch«, sagte sie, als Gregor aus seinem Büro kam. Groß und würdevoll stand er vor der mit Leder gepolsterten Tür. In seinem aristokratischen Gesicht sah ich sein verständnisvolles Lächeln.
    »Der Chef bekommt jetzt auch keinen Besuch mehr, mein Fräulein«, sagte er und winkte mich in sein mit vielen antiken Kostbarkeiten ausgestattetes Zimmer. »Setz dich, Hajo«, forderte er mich auf und blickte neugierig auf die Hefte, die ich aus dem Inneren meines Mantels hervorholte. »Einen Augenblick«, sagte er, nahm den Hörer ab und sprach in die Muschel: »Die Teezeit ist vorbei. Aber zwei Tassen Kaffee finde ich jetzt angebracht.«
    Dann wandte er sich wieder mir zu.
    »Sind das die ominösen Hefte?«, fragte er.
    »Ich hab sie noch nicht aufgeschlagen, Gregor. Frau van Aaken hat sie mir vor zwanzig Minuten gebracht.«
    Gregor lehnte sich zurück. Seine Finger strichen über seinen grauen Schnurrbart und sein Gesicht strahlte eine abgeklärte Ruhe aus, die seine Würde unterstrich. »Hajo, weißt du, wir Juristen lieben die Spannung, die Konfliktsituationen nun einmal mit sich bringen. Der vielleicht harmlose Selbstmord deines Schülers regt jetzt meine Fantasie an, und die Hefte des Pastors werfen Fragen auf, die nicht nur den Jungen betreffen, sondern auch auf den Kirchenmann zielen, denn ich bin neugierig und möchte herausfinden, was ihn dazu geführt hat, die Kladden wie ein Buchhalter zu führen.«
    Ich schwieg. Ein Mädchen servierte uns den Kaffee. Es war sehr jung und verließ mit glühenden Wangen wortlos das Zimmer.
    »Rauchen wir eine«, sagte Gregor, rührte Milch und Zucker in den Kaffee und wies auf die für Klienten ausgelegte Schachtel.
    Während die ersten Rauchschwaden bläulich durch den Raum zogen, griff er nach einem der Hefte. Ich beobachtete ihn, als er las, und bemerkte dabei, wie sein Gesicht ernst wurde und sich seine Falten strafften. Gregor sagte keinen Ton.
    Mich trieb es nicht an, zum zweiten Heft zu greifen, sondern ich rauchte und wartete. Aber Gregor spannte mich auf die Folter, als er die Kladde nicht aus den Händen legte, sondern erneut an den Anfang der Eintragungen zurückging.
    Ich drückte meine Zigarette aus und griff zum zweiten Heft. Ich sah die saubere Handschrift des Pastors.
    Hayo Wiefelkamp, geboren am 12. 07. 1981.
    Taufe: 19. 12. 1981. Leitspruch: Tue Recht und scheue Niemanden. Gott sei dein Anwalt.+ Schulbesuch: 1. – 4. Klasse, Grundschule Upplewarf, Lehrerin

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