Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman
ging.
Im Lehrerzimmer blieb ich schweigsam, unwissend, als die Kollegen die Bundesligaergebnisse besprachen. Dagegen ereiferte ich mich engagiert, als das Thema Wirtschaftspolitik vor dem Hintergrund einer Massenarbeitslosigkeit diskutiert wurde.
Mein Unterricht verlief ohne Störungen. Meine Klasse sah ein, dass über Enno zu reden uns nicht weiterbringen würde. Besessen erarbeiteten wir Stoffe der Differenzialrechnung, und ich war glücklich, dass ich voll eingespannt wie bei einem Tischtennismatch keine Sekunde Zeit fand, um an gestern zu denken.
Nach dem Unterricht ging ich direkt nach Hause. Der Direktor, der seinen spitzen Bauch wie eine von Gott verliehene Würde vor sich hertrug, erinnerte mich an Elkes Vater, als er mir zunickte und zu seinem Fahrzeug schritt.
Ich kochte mir Spaghetti aus einer Fertigpackung und rief Gregor an. Er wollte mich gegen fünfzehn Uhr besuchen. Die Zeit bis dahin nahm mich voll in Anspruch. Spülen, Sachen weghängen und die kleine Wäsche ließen mir gerade noch Zeit genug, um gegen fünfzehn Uhr das Teewasser aufzusetzen.
Gregor half mir. Er deckte den Tisch, während er mit ernstem Gesicht meinem Vortrag lauschte, den ich ihm hielt, und meinen Sonntag schilderte, ohne die süßen Stunden bei Dvořáks Musik zu erwähnen. Er ließ sich gedankenvoll in den Sessel fallen, während ich ihn bediente.
Als ich mich zu ihm setzte, stopften wir uns die Pfeifen mit dem Tabak, den er so lobte und von einem Bremer Versandgeschäft nicht gerade preiswert bezog.
»Weißt du, Hajo«, sagte er, »das Schützenwesen hat bei uns eine große Tradition. Bereits im hohen Mittelalter formierten sich in den aufblühenden Städten die Bürgerwehren gegen die räuberischen Überfälle des Adels. Etwa um 1210 tragen ihre Mitglieder in Belgien und Holland schon Uniformen, es sind Meisterwerke der damaligen Webkunst. Bei uns in Deutschland sind die Bürgerwehren ab dem vierzehnten Jahrhundert dokumentarisch belegt. Sie schlossen sich gegen 1360 in Gotha zum deutschen Schützenbund zusammen und sind jetzt harmlose Vereine. Heute dienen die meisten von ihnen dazu, die Gemeinden gesellig zusammenzuhalten, und bieten Vergnügungen auf den Dorfwiesen an, wenn sie ihren Schützenkönig ausschießen.«
Ich war verblüfft und sog mächtig an meiner Pfeife. Das, was Gregor sagte, passte genau in die Geschehnisse. Dennoch machte mich der Kranz mit der schwarz-weiß-roten Schleife stutzig, denn die Farben hatten eine anrüchige Vergangenheit.
»Gregor, du könntest recht haben«, sagte ich, während wir den Tee genossen. Meine Fantasie hatte voreilig die Männer im Winkelzimmer und selbst den alten greisen Großvater meines Schülers in die Schublade extremistischer Kreise gestellt.
Ich holte die Finnlandprospekte, und wir suchten auf der Karte den Standort unserer gebuchten Hütte. Mitten in unsere Vorfreude auf Urlaub, Entspannung und Fernweh hinein klingelte das Telefon.
Ich wurde nur selten angerufen. Neugierig suchte ich den Korridor auf. Pastor van Aaken war in der Leitung. Er sagte den Besuch ab, den wir für morgen vereinbart hatten. Ein Schwerkranker erforderte seine ständige christliche Betreuung im Krankenzimmer. Er sagte mir, dass seine Frau mir die Schulhefte vorbeibringen würde.
Gregor musste ich erst von meinem Zusammentreffen mit Pastor van Aaken im »Kapitänsblick«, berichten. Er hörte ruhig zu.
»Das macht mich schon neugierig«, sagte er.
»Wenn ich die Hefte habe, komme ich zu dir«, antwortete ich.
Als Gregor mich verlassen hatte, fuhr ich zu Elke. Ihre Eltern waren auf den Feldern. Bis zum Abend saß ich mit ihr in ihrem Zimmer. Sie bestätigte mir, dass Enno Mitglied des Schützenvereins gewesen war, bezweifelte allerdings seine aktive Rolle. Ihren Äußerungen entnahm ich, dass sie mit meinen Recherchen nicht einverstanden war. Sie wollte endgültig vergessen, und suchte den Neuanfang, dessen Mittelpunkt ich war.
Als es dunkel wurde, steckte Elke eine Kerze an. Ich beobachtete sie dabei. Ihr langes Haar fiel wie ein Schleier nach unten. Anmutig, gebeugt, die Brüste hingen locker im Wollpullover, ihre streng sitzenden Jeans – sie war eine einzige Herausforderung. Was ist das für ein Drang? Woher kommt er, der uns in solchen Situationen alles entzieht, nur um auf Liebe zu hoffen? Ein Geheimnis der Welt, um in einem Menschen seine Erfüllung zu finden? Das fragte ich mich, während das Kribbeln meiner Besitzgier schlagartig meine Gedanken vertrieb, und ich nur sagte:
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