Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman
aufkommende Ruhe sprach.
»Wir alle, die heute die Ehre haben, am sechzigsten Geburtstag unseres verehrten Herrn Grafen von Birkenhain anwesend sein zu dürfen, wünschen ihm für die weiteren Lebensjahre alles erdenklich Gute und hoffen mit ihm, dass unsere gemeinsamen Bemühungen, dem Verfall unserer Kultur entgegenzutreten, von Erfolg gekrönt sein werden.« Der Redner wartete den Beifall ab und fuhr fort: »Man muss nicht ernst auf die Großstädte schauen, auch hier bei uns diktiert die gefährliche Parole, alle glücklich machen zu wollen, die Laschheit, das Drückebergertum, die Faulenzerei. Männer wie unser Graf zeigen Wege, geben Impulse und führen uns zu der Zuversicht, dass unsere Jugend zurückfindet zu Werten, die ewig das Deutschsein bestimmt haben!«
Der Beifall unterbrach ihn. Er fuhr fort.
»Unser Vaterland, das allen nur Freikarten zum Müßiggang verschenkt, muss zurückfinden zu Eintrittskarten, die ihren Preis wert sind.« Der Redner ereiferte sich, spuckte von sich, was seiner Ideologie im Wege stand, schleimte sich ein unter die schützenden Fittiche des international bekannten Grafen, und er fand sein Publikum. Immer wieder, wenn er die Missstände wie ein Mediziner als Krankheitssymptome unserer Gesellschaft vorführte und hinzufügte »von unseren Steuergeldern«, prosteten ihm die Gäste zu.
Ich fragte van Aaken, der mit ernstem Gesicht vom Nippen am Weinglas keine Fröhlichkeit gewann: »Wer ist dieser Scheißkerl?«
Hartwig grinste. »Ein Landtagsabgeordneter«, sagte er trocken.
»Habt ihr keinen anderen?«, fragte ich empört.
»Doch«, sagte Frau van Aaken, »aber der ist nicht hier.«
Ich kann von mir sagen, dass ich kein politischer Mensch bin. Aber das, was dieser feiste Redner der gräflichen Familie unkontrolliert entgegenschleimte, musste selbst seine Parteifreunde verärgern.
Das Ende der Hasstiraden kam in Sicht. Der Beifall war nicht einhellig. Ich blickte mich nach dem alten Greis um, dem das Ritterkreuz den Zugang in die sich gewandelte Welt versperrt hatte und der nicht begreifen konnte, dass die Hingabe für eine falsche Sache verstauben konnte. Ich entdeckte ihn. Er saß ohne seine Hände zum Beifall zu bewegen still vor einem gefüllten Glas, als ginge ihn das alles nichts mehr an. In seiner Nachbarschaft blinkte der teure Schmuck im Rhythmus der knochigen Hände, denn die alte Lady spendete überzeugten Beifall.
Der Graf war weder gerührt noch überzeugt. Er erhob sich, und in dem abflauenden Beifall rief er: »Prost!« Er reichte seiner Frau ein Sektglas und unter dem Klatschen der Anwesenden stieß das gräfliche Paar an.
Das zeigte Wirkung. Elke hielt mir ihr Glas entgegen und auch Hartwig trank, während er in die Augen seiner Frau blickte und einen tiefen Schluck nahm.
Die Stimmung war hervorragend, und ich stimmte dem Kapellmeister zu, der in seiner Konzentration entrückt seine Leute dirigierte, die sauber »Kein schöner Land in dieser Zeit!« spielten, und es kam mir wie eine Ironie auf die Rede des Abgeordneten vor, der aufsprang und begeistert mitsang.
Die schnellen Jungs in ihren grünen Uniformen schleppten die Getränke. Die Musikkapelle spielte zwei Strophen. Der Gesang durchströmte das Jagdzimmer. Danach setzten die Musiker die Instrumente ab und verließen die kleine Bühne hinter dem Grafentisch.
In das Vakuum drang schmetternde Fanfarenmusik, und das begeisterte Publikum spendete Beifall, als die jungen Männer zackig die Bühne betraten. Ihre Griffe wirkten exakt, wenn sie ihre Fanfaren absetzten, um den Pauken das Spiel zu überlassen. Auf den silberbestickten grünen Fähnchen las ich »Spielgemeinschaft Upplewarf«. Ein Dorffest, dachte ich.
Die Stimmung war bombig. Die jungen Getränketräger waren clever und machten auf Anhieb leere Gläser aus. Ich entdeckte Elkes Vater, der begeistert im Takt des Marsches seine Füße bewegte.
Ein nahtloser Übergang vollzog sich, als sich der Fanfarenzug auf engstem Raum exakt zurückzog und der Trommler und der Pfeifenchor den Lockmarsch spielten und danach aus dem Hintergrund »Preußens Gloria« vom Fanfarenzug und der Blaskapelle und dem Tambourcorps erschallte.
Die Begeisterung nahm kein Ende. Mich selbst faszinierte diese Musik. Für Amateure gelang den Spielleuten Fantastisches. Begeistert schaute ich zu und sah, dass Elke den Marsch mitklatschte. Auch Hartwig stand vor dem Tisch. Er starrte auf das Tambourcorps, das ihre Uniformen den Farben Frieslands angepasst hatte.
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