Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman
Kindergesichter und gestandene Männer trugen Schirmmützen, jonglierten mit den Holzknüppeln auf gespannten Tierhäuten der Trommeln oder hielten in klobigen Händen die Pfeifen an breite Lippen.
Der grauhaarige Butler öffnete unbemerkt die Tür zum Konzertzimmer und ließ drei jungen Männern den Eintritt, die im Stechschritt bestickte Fahnen trugen, an denen Bänder wehten. Sie steckten in den Uniformen der Schützen. Auf ihren Brüsten entdeckte ich geflochtene Kordeln. Hinter ihnen schritt ein junger Mann, der im Gleichschritt eine Kiste trug.
Der Graf sprang vor Begeisterung auf, verließ die Gräfin und den Tisch und marschierte den Männern unter dem Lärm von Musik und Anfeuerungsrufen entgegen. Die Fahnen senkten sich. Gräfin von Birkenhain erhob sich, schritt wie eine Königin in die Szene. Ihr langes Kleid machte sie schlank und hinderte sie daran, ihr Schrittmaß zu überziehen. Sie verneigte sich vor den schlaff hängenden Fahnen und nahm dankbar die Kiste an.
Hartwig beobachtete wie ich das dörfliche Kirmesgeschehen.
»Durchhalten!«, flüsterte er. Die Musiker hatten nach erneutem Lockmarsch des Tambourcorps den Marsch der langen Kerle eingeleitet. Das gräfliche Paar stand vor Fahnen und Präsenten, während um sie herum die Gäste mitsummten und mitklatschten. Erst als die Kapellen verstummten, bedankte sich der Graf überschwänglich und sagte seinen Gästen: »Das Büfett ist eröffnet!«
Hinter unserem Tisch entstand Unruhe. Voreilige Gäste drängten bereits in den Raum, in dem ich Hirsch- und Elchgeweihe erblickt hatte.
Auf der Bühne, im Rücken des gräflichen Paares, bezog die Blaskapelle Aufstellung, während die Geburtstagsgäste drängelnd das Büfett stürmten.
Elke sagte entsetzt: »Jetzt drängeln sie, als hätten sie tagelang nichts gegessen!«
Hartwig schob mich zur Seite, denn unser Tisch geriet immer mehr in den Sog des Ansturms. »Jetzt können wir verschwinden, Hajo, ohne dass es auffällt. Trinken wir bei mir noch einen Schnaps!« Er langte nach der Hand seiner Frau, und ich führte Elke, die einverstanden war, aus dem Zimmer durch die geöffnete Tür des Konzertzimmers, an den Marmorköpfen vorbei zur erleuchteten Terrasse.
Hinter uns lag der Lärm. Wir stiegen in unsere Autos und fuhren davon. Das Donnermoor lag gespenstisch im Dunkel. Elke und ich dachten an Enno, als wir über die lange Dorfstraße fuhren und unsere Autolichter für Sekunden über die Mauer der Kirche huschten.
»Upplewarf hat viele Vereine«, sagte Hartwig zu mir.
Wir saßen in seinem nüchtern eingerichteten Wohnzimmer. Elke und seine Frau duzten sich seit einigen Tagen. Sie waren mit Wollknäueln und Maschenplänen beschäftigt und bemühten sich um eine gemeinsame Strickerei, die sie für die Frauenstunde vorbereiteten. Hartwig und mir war das recht, denn der 60. Geburtstag des Grafen von Birkenhain hatte uns nachdenklich gestimmt. Fernab vom Neid, denn sowohl Hartwig als auch ich hatten uns bereits damals bei unserer Berufswahl für genormte Gehälter entschieden und hatten am Boom der Aufbaujahre vorbeigelebt und wurden nicht nach wachsenden Schülerzahlen und Problemen bezahlt. Uns saß das tiefe Misstrauen im Nacken, das wir der illustren Gesellschaft entgegenbrachten, und die Vermutung, dass Gregor doch von einem der schnellen jungen Männer zu seinem Sturz in sein Ende verleitet worden war, bohrte sich in unser Denken. Hinzu gesellte sich die Frage, wo die Wege ins Donnermoor lagen, über die die »Eins-Zwei-Bande« vor unseren Augen verschwunden war. Schließlich waren sie vom Gut Birkenhain aus losmarschiert.
Auch Elkes Vater besaß eine kleine Enklave vom Donnermoor, und ich sah ihn vor mir, wie er begeistert den Takt der Marschmusik fand.
»Genau in diesen Hintergrund müssen wir die Selbstmorde der jungen Männer einstricken«, sagte Hartwig und nahm den Blick von unseren Frauen, die mit spitzen Nadeln Maschen setzten.
»Vielleicht verschwanden die Gewehre und die Munition aus dem Einbruch in der Kaserne irgendwo im Donnermoor«, sagte ich.
»Wir drehen uns im Kreis«, sagte der Pastor. »Das Geheimnis um das Donnermoor und die Selbstmorde gehören zusammen. Da gibt es keine Wenn und Abers.«
»Den Kellner, der uns bediente, erkannte ich wieder. Er war der Typ, der mich vor der Toilette im Dorfkrug bedroht hat«, sagte ich.
Der Pastor nickte. »Schützenverein, Klootschießer, Turnverein, Tambourcorps, Fanfarenzug, alle blühen nur unter seiner Mildtätigkeit.«
Ich
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