Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman
Stange, auf der hing, was ich bisher sorglos getragen hatte. Schließlich entschied ich mich für die dunkelblaue Clubjacke, zog eine graue Flanellhose vom Bügel und fand zu dem weißen Hemd eine passende schottisch gemusterte Krawatte. Das bin ich dem Grafen von Birkenhain schuldig, dachte ich, da ich vorher noch nie in adligen Kreisen verkehrt hatte.
Ich zog mich um und fuhr los.
Elke mussten ähnliche Gedanken gequält haben. Als ich ihr gegenüberstand, rief ich überrascht »Oh«, denn wir hatten uns bisher nur in unseren Alltagsklamotten gezeigt. Sie hatte sich dem Besuch des Landadels angepasst und trug eine ihren Busen bezaubernd hervorhebende Satinbluse und eine ärmellose Lodenweste in Jagdgrün mit aufgesetzten Hirschhornknöpfen. Der weit geschnittene Tuchrock mit abgesetzten Taschen kleidete sie großartig. Ihre lange Haartracht hatte sie zu einem Pferdeschwanz geknotet.
Ich drückte Elke einen Kuss auf die Wange. »Du siehst aus wie eine Hochwohlgeborene«, sagte ich.
Elke lachte. »Hajo, so in Schale fehlt dir nur noch die Akkreditierung zum Botschafter.«
»Vielleicht werde ich noch einmal Außenminister von eurem verkapselten Friesland«, konterte ich und hielt ihr meinen Arm entgegen. In kindlicher Ausgelassenheit schritten wir wie ein Paar zu meinem Golf.
»Gnädiges Fräulein«, sagte ich, griff zur Autoklinke, öffnete den Wagen, warf die Tür wie ein Butler hinter ihr ins Schloss und setzte mich hinter das Steuer.
Ich fuhr los. Den Weg kannte ich. Die alte Scheune, in der ich mit van Aaken auf das Aufkreuzen der »Eins-Zwei-Bande« gewartet hatte, fand meinen Blick. Das Donnermoor lag seitlich und steckte für mich voller Rätsel. Gregors Tod, die Selbstmorde und die Sorge um meine und Elkes Zukunft beschäftigten mich. Ich schob die Gedanken von mir, als ich den Wagenpark vor Graf von Birkenhains Gut erreichte.
Als ich ausstieg sagte ich: »Elke, mein Auto ist das kleinste.«
Sie lachte und freute sich, endlich mit mir an einem gesellschaftlichen Ereignis teilnehmen zu können.
»Dafür bist du für mich der Größte«, sagte sie und nahm meinen Arm.
Die Luft war mild, fast sommerlich. Der mit Platten belegte Fußweg führte unter den Kronen mächtiger Buchen und knochiger Eichen entlang. Wir ließen das Dunkel der Bäume hinter uns. Ein gepflegter Rasen stieg sanft bis zu einer mit einer Steinmauer umrandeten Terrasse an. Scheinwerfer und Lichtketten erhellten das rötliche Mauerwerk.
Ich blickte auf die Fassade des hohen Giebels. Rustikal wirkende grüne Holzläden umrahmten die Fenster. Die weit ausgestellten Türflügel warfen helles Licht nach draußen und wiesen uns den Weg. Zu uns klang Klaviermusik, und ich fragte Elke: »Ist das ein Hof oder ein Schloss?«
Elke zupfte an ihrem Rock. Ich bemerkte die schwache Röte in ihrem Gesicht, die ihr gut stand.
»Die von Birkenhains gehören zum alten Adel, und selbst die Königin von England hat während ihres Staatsbesuchs hier Quartier gemacht«, sagte sie. »Bei ihnen spielt gewiss einer der großen Interpreten Klavier, den wir nicht kennen. Sie setzen sehr auf Kultur.«
Ich vernahm wie zur Bestätigung ein leises Plätschern von Tönen. Ich hatte das Gefühl, zu einem Nichts zusammenzuschrumpfen. Die große Welt!, dachte ich. Aber Elke schritt mit mir kräftig drauflos.
An einem Flügel saß ein Mann, dem langes graues Haar über die Schultern fiel. Niemand achtete auf uns. Wir setzten uns auf freie Stühle, und ich beobachtete die Köpfe der Zuhörer. Als der Pianist endlich zu einem letzten Akkord in die Tasten gegriffen hatte, sich dem Publikum zuwandte, seinen Oberkörper tief neigte, klang ihm der Beifall der etwa fünfzig Anwesenden entgegen. Auch ich klatschte.
Die Zuhörer verließen die Stühle, und erst jetzt konnte ich in die Gesichter der Geburtstagsgäste schauen. Elke hatte meinen Arm genommen. Wir schritten inmitten der Prominenz über den Marmorboden, und ich bemerkte die Seitenblicke der Männer, die Elkes Schönheit bewunderten.
Über dem kleinen Konzertsaal wölbte sich eine Decke mit Stuckgirlanden und ließ vom Messinghalter einen riesigen Kronleuchter herab, der mit seinen geschliffenen Kristallen das Licht in kleinen bläulichen Strahlen von sich warf. Seitlich auf angedeuteten Säulen in Nischen standen Marmorköpfe großer Dichter, Denker und Musiker. Siegesgöttinnen mit gewaltigen Busen, in wallende Tüchern gewickelt, mit hoch erhobenen Eichenlaubkränzen, lächelten von rissigen
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