Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman
lugten die Hosenträger hervor, und ich wusste aus der Zeitung, die mir ein Kollege im Lehrerzimmer gegeben hatte, dass er als Erster Vorsitzender des Heimatvereins eine beachtliche Rede gehalten hatte, für die ihm viel Lob gezollt worden war.
»Herr Beruto, Sie haben ein aufopferungsreiches Schuljahr hinter sich gebracht, das bestätige ich Ihnen hier an dieser Stelle. Aber der Selbstmord Ihres Schülers hat Sie, so scheint es nicht nur mir, ziemlich verwirrt. Ich habe Verständnis für Ihre Situation, da Sie ja auch durch ein tragisches Geschick Ihre Familie verloren haben.«
Ich schwieg und studierte sein Gesicht. Eine Brille hätte ihm einen intellektuellen Hauch verleihen können. Aber er hatte so wenig gelesen, dass seine Augen selbst Kleingedrucktes entziffern konnten. Eine Persönlichkeit war er nicht, konnte er auch nicht sein, da er genau hineinpassen musste in ein Vakuum sich streitender Parteien, Gruppen und Verbände, dachte ich.
Ihn störte offenbar mein ihn studierender Blick, und mit hochgerichtetem Kopf sagte er: »Ich bin der Schulleiter! Man ist an mich herangetreten, Ihnen Ihre ...«, er stockte, dann fuhr er fort, »... Ihre – vielleicht trifft der Begriff ›Flausen‹ – auszureden. Eine selbst im Ministerium bekannte Persönlichkeit fühlt sich durch von Ihnen gemachte Äußerungen diffamiert. Herr Beruto, ich muss Sie deshalb warnen, da ein solches Verhalten nicht ohne Folgen auf Ihre bisher ordentlich verlaufenden Beurteilungen bleiben kann.«
Mein Schulleiter war los, was ihm aufgetragen worden war, mir zu sagen. Mich störte das unehrliche »man«, hinter dem er sich versteckte. Deshalb fragte ich ihn, wobei ich versuchte, meine innere Empörung unter Kontrolle zu halten: »Herr Direktor, Ihre Vorwürfe treffen mich unvorbereitet. Ich möchte gern von Ihnen wissen, wer sich von mir diffamiert fühlt.«
Sein Blick ruhte auf dem Schreibtisch. Ohne mich anzusehen, sagte er: »Herr Beruto, das Gespräch findet keinen Zugang zu Ihren Akten.«
Er stand auf, sein einfältiger Blick erfasste mich so, als wäre ihm das alles peinlich und ich ein Störenfried. Seine Hände umschlossen einen Ordner und sein dienstliches Lächeln sollte mir andeuten, dass alles nicht so schlimm war.
Ich erhob mich und wusste, er wollte sich nicht hinter mich stellen, und ich schwieg. Grußlos verließ ich ihn, und mir kam der Gedanke, dass der Staat viel Geld einsparen konnte, wenn er sich dafür entscheiden würde, solche Posten wegzurationalisieren, die unserer Demokratie schadeten, von der er schließlich lebte. Wir Kollegen unter uns würden im modernen Teamgeist die anfallenden Probleme besser regeln können. Diese repräsentativen Wasserköpfe suchten nur nach rückhaltlosen Arschkriechern, um sich selbst bestätigt zu fühlen.
Meine Bitterkeit brannte in mir. Mir war bewusst, dass ich solche Gedanken nie aussprechen durfte, und ließ vor meinen Schülern meine tiefe Enttäuschung und meinen Hass nicht durchblicken.
Der Unterricht verlief wie gewohnt mit Leben und Schülerbeiträgen. Das Klingelzeichen entließ mich aus meiner Pflicht.
Ich eilte nach Hause und rief Hartwig an. Er hörte sich mein Geschimpfe und meine Entrüstung schweigend an, dann lachte er und sagte: »Hajo, ich komme gerade vom Superintendenten. Vielleicht war er nur etwas freundlicher als dein Direktor, doch die Schelte war die gleiche. Wir behalten die Dinge im Auge, bewahren ruhig Blut und denken zuerst einmal an unsere Sommerferien.«
Nach dem Mittagessen, »Pichelsteiner Topf«, ein typisches Schnellgericht aus der Dose, besuchte ich das Reisebüro und holte die Unterlagen ab. Das schöne Sommerwetter verhalf meinen Gedanken, sich dem Stress zu entziehen, und Finnland zog als rettende Oase in meine Träume ein.
Doch noch war es nicht so weit, denn Notenterror, Anpassungszwang, kleinliche Maßregelungen und Ordnungsverstöße mussten die Beurteilung der Konferenz finden, die in einer Stunde begann.
Da saßen wir nun alle versammelt im kargen Lehrerzimmer um die zusammengerückten Tische, zückten unsere Notenheftchen, kommentierten, palaverten und richteten. Das musste sein. Wie sollte man sonst verfahren? In der Regel sorgte die bunte Mischung des Schicksals für eine verlässliche Objektivität.
Strenge und lasche, lustige und sture, sportliche und unbewegliche, dicke und dünne, ordnungsbesessene und großzügige Lehrer und Lehrerinnen verschoben wie in der Physik ihre positiven und negativen Ladungen. Doch die Welt
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