Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman
fühlte, wie mein Magen mit einem Unwohlsein reagierte. Bin ich zu weit gegangen?, fragte ich mich, oder unterlag ich hier einem Einschüchterungsversuch mit Drohungen auf meine Existenz.
»Ich werde mich mit meinem Freund, dem Pastor, besprechen«, sagte ich hilflos und einlenkend.
»Das kann ich Ihnen nur raten«, sagte der Staatsanwalt kühl. »Der Herr Pastor ist es gewohnt, Reaktionen auf seine zu forschen Predigten in dem friedlichen Upplewarf hinzunehmen.«
Ich fühlte mich total daneben. Zum Mitreizen fehlten mir die Karten.
Ohne Gruß, kleinlaut, aber aufrecht verließ ich das Büro des Staatsanwalts. Auf dem Heimweg fielen mir Argumente ein, die ich im Stress nicht gefunden hatte und die mich wieder aufrichteten.
Elke und Elisabeth van Aaken hatten die Kinder im Vorschulalter nach Überwindung behördlicher Bedenken ins Schulgebäude eingeladen und betreuten sie ohne Bezahlung mit Spiel, Sport und Kakao. Ihre selbstlose Tätigkeit fand in Upplewarf den lebhaften Zuspruch der überlasteten Eltern, von denen noch einige von dem kargen Lohn, der für Hilfskräfte auf den großen Höfen bezahlt wurde, lebten.
Für Upplewarf galt die Faustregel, je geringer das Einkommen, umso größer die Anzahl der Kinder. Hinzu kam die Misere, dass sowohl die Maschinenfabrik, als auch die im Radius von vierzig Kilometern liegenden Werften und Montagewerke Kurzarbeit angemeldet hatten und der Prozentsatz der Arbeitslosigkeit gegenüber dem Bundesdurchschnitt von acht hier mit achtzehn Prozent notiert wurde. Den Einkommensschwund versuchten die Väter mit Schwarzarbeit über die sie legalisierende Nachbarschaftshilfe auszugleichen.
Hartwig wanderte mit mir über den Deich, den frühe Sonnenstrahlen erwärmten. Die Nordsee lag spiegelblank vor uns, und auf den saftigen Wiesen des Vorlandes graste das Schwarzbuntvieh. Eine friedliche Welt, in die gelegentlich von uns aufgescheuchte Vögel sangen.
Aber weder Hartwig noch mir gelang es, an diesem Frieden teilzunehmen. Es war nicht die soziale Ungerechtigkeit, unter denen die Bürger von Upplewarf litten und von denen unsere Frauen nicht aufhören konnten zu berichten. Uns beschäftigte die drohende Haltung des Staatsanwalts. Unseren verstorbenen Freund Gregor als senil abzustempeln, den Gang der »Eins-Zwei-Bande« ins Donnermoor als Fantasterei abzuwerten und seine Drohung, dass ich meinen Job als Oberstudienrat für Mathematik und Sport aufs Spiel setzen würde, falls ich unsere Vorwürfe und Argumente gegen den Grafen aufrechterhalten würde, fanden wir unerhört.
»Hajo, sie wollen uns einschüchtern«, sagte Hartwig, und ich bewunderte ihn, da er sich weder um seinen Job als Pastor sorgte noch vor persönlichen Bedrohungen fürchtete.
Zweifelnd fragte ich: »Hartwig, wen meinst du mit ›sie‹? Wenn ich das zu Ende denke, dann gehst du davon aus, dass auch der Staatsanwalt auf der anderen Seite steht, falls es eine gibt.«
Hartwig blieb stehen. Er beugte sich über eine Brennnesselstaude, zupfte weiße Blütenkelchblätter ab, führte sie an seinen Mund und sog den Nektar ab.
»Das haben wir als Kinder während der schlechten Jahre gemacht«, sagte er, klopfte mir auf die Schulter und sagte: »Hajo, dass wir hier von dem Huflattich«, er zeigte nach unten, und ich blickte auf die breitblättrige Pflanze, »Salat bereiten müssen, so weit wird es nicht kommen.«
Ich lachte befreit, denn er nahm mir meine Ängste. Er hatte recht. Um die nackte Existenz ging es nicht. Schließlich wäre ich mit Erika und der kleinen Anja verwundbarer gewesen.
Hartwig stand neben mir. Seine hünenhafte Gestalt und seine unerschütterliche Haltung gaben mir das Gefühl, dass ich nicht allein war im Kampf gegen einen nicht fassbaren Gegner, an dem auch ich gelegentlich selbst zu zweifeln begann, andererseits aber nach den Gesetzen der Logik als eine Bedrohung empfinden musste.
Hartwig sah mich an. »Wir gehen jetzt zu dir«, sagte er, »und rufen den Kommissar an. Wenn auch er uns für Spinner hält, dann genießen wir unsere Sommerferien und sehen danach weiter.«
Als Hartwig mit mir vor dem Tee saß, den ich nach Elkes Rezept bereitet hatte, sagte er: »Ich bin gespannt, ob wir wirklich einen Floh im Ohr haben.«
Ich telefonierte mit der Kripo und bekam Feenwegen in die Leitung. An seiner Stimme hörte ich bereits, dass sich das Blatt gewendet hatte. Er sprach von einem neuen Auftrag und Zurückstellung und gab mir als Entschuldigung an, dass sie auf dem Helgolandschiff einen
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