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Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman

Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman

Titel: Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Toten zu beklagen hatten, der wahrscheinlich das Opfer eines Verbrechens war.
    Enttäuscht unterbrach ich die Verbindung. Mir wurde bewusst, dass Hartwig und ich nun allein vor einem Scherbenhaufen von Vermutungen und Halbwahrheiten saßen. Wir hatten uns bisher nur Feinde geschaffen.
    Hartwig saß lange in Gedanken versunken vor mir.
    »Hajo, wir müssen Geduld haben und vergessen«, sagte er und trank den Tee.
    »Gut«, antwortete ich, »die Wahrheit kann vergilben, sie bleibt aber eine Wahrheit.«
    Während wir rauchten und den Tee tranken, war uns bewusst, dass sich unsere Umwelt gewandelt hatte. Wir beschlossen, die Zeit verstreichen zu lassen.

10
    Während sich die Sommerferien mit rapider Geschwindigkeit näherten, saß ich abends hinter dicht gestapelten Packen von Klassenarbeiten, und die Nachmittage füllten sich mit Zensuren- und Fachkonferenzen.
    Elke hatte sich zu ihren Eltern zurückgezogen, um ihre Semesterarbeit anzufertigen.
    Der Frühsommer zog währenddessen mit einer großzügigen Fülle von Licht in unser Küstenland ein. Der meistens blaue Himmel bescherte uns ansteigende Temperaturen, die ein lauer Wind angenehm abkühlte und den Salz-Jod-Gehalt des Meeres würzig hineinmischte.
    Auch an diesem Freitag zeigte sich keine Wolke vor dem beständigen Blau. Das hektische Gebaren der Enten auf dem Teich, ihr fröhliches Geschnatter stimmten mich froh, als ich durch den Bismarckpark an ersten Sommerblumen und blattreichen Sträuchern vorbei zum Dienst ging.
    Ich dachte an den Nachmittag, an dem ich meine letzte Konferenz hatte. Mein Arbeitsplan sah vor, dass ich am Samstag die Zeugnisse meiner Klasse schreiben wollte und den Sonntag frei für Elke hielt.
    Im Lehrerzimmer beherrschte eine ausgelassene Stimmung meiner Kollegen. Außenstehende übersehen oft, dass sich unsere Arbeit vor der Klasse immer unter den Auswirkungen gewaltiger Spannungsfelder vollzieht, da wir Lehrer unter der strengsten Kontrolle von dreißig Augenpaaren unsere Tätigkeit nicht nur sachlich, sondern mehr noch mit dosiertem Fingerspitzengefühl ausüben müssen. Zeugnisnoten sind Beurteilungen, die für die heranwachsenden jungen Menschen über Lebenschancen entscheiden können. Verständlicherweise herrscht dann Freude in einem Kollegium, wenn die schwere Last mit dem erleichterten Gefühl, gerecht verfahren zu sein, abgelegt wird.
    Die Kollegen an meinem Tisch begrüßten mich frotzelnd.
    »So lustig?«, fragte ich und hörte zu, wie mein Gegenüber mit grinsendem Gesicht und dem Schalk im Nacken einen Witz loszuwerden versuchte.
    Er vergewisserte sich, dass wir zuhörten, und legte los.
    »›Junge, nimm dein Brot und geh zur Schule!‹, sagte die Mutter. ›Ich habe keine Lust, die Schüler mögen mich nicht!‹, antwortete der Sohn. ›Junge, nimm dein Brot und geh zur Schule!‹, sagte die Mutter erneut. ›Der Hausmeister mag mich nicht!‹, sagte der Sohn. ›Junge, nimm dein Brot und geh zur Schule!‹, forderte die Mutter abermals. ›Die Lehrer mögen mich nicht!‹, antwortete der Sohn. ›Junge, nimm dein Brot und geh zur Schule, du bist doch schließlich der Direktor!‹, sagte die Mutter.«
    Wir lachten schallend und bemerkten nicht, dass sich unser dicker Schulleiter mit ernstem Gesicht genähert hatte. Schlagartig erstarb unsere Ausgelassenheit.
    »Herr Beruto, kommen Sie doch eben mit zu einem Gespräch in mein Büro«, sprach er in die Stille.
    Keiner von meinen Kollegen erwartete etwas Gutes, denn in dem runden Gesicht unseres Vorgesetzten verbarg sich eine nicht zu übersehende Hinterlist.
    Ich folgte dem Direktor, der füllig vor mir her schritt und seinen grauen Haarschopf im Takt seiner behäbigen Bewegungen hin und her wippen ließ. Seine Sekretärin blickte auf den Boden und ließ uns grußlos den Weg in das Chefbüro finden.
    Er schloss die Tür, während ich vor der kleinen Sesselgruppe stand und auf seine Aufforderung zum Sitzen wartete. Erst als er vor dem repräsentativen Schreibtisch seine Würde gefunden hatte, gab er mir das Zeichen zum Setzen.
    Ich blickte an ihm vorbei auf das Ölgemälde unseres Heimatmalers, der eine nicht mehr existierende Mühle mit seiner Kunst konserviert hatte. Dabei fiel mir ein, dass ich auf demselben Sessel saß, als mich der Direktor wegen Ennos Selbstmord zu sich gebeten hatte. Damals war mir sein Mitgefühl sicher gewesen.
    Ich entnahm seiner Haltung und seinem auf den Schreibtisch gerichteten Blick, dass es diesmal nicht der Fall war. Unter seinem Jackett

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