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Boeses Spiel

Titel: Boeses Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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Unterhalt für uns drei zu verdienen. Ich wollte Zeitungen austragen, aber meine Mutter verbot es mir, sie sagte, ich sollte für die Schule lernen. Die größte Freude für sie wäre, wenn ich eine sehr gute Schülerin bliebe bis zum Abitur. Ich versprach es ihr. Ich lernte, ich paukte, ich schrieb eine gute Arbeit nach der anderen. Ich wurde von den Lehrern gelobt.
    Der Direktor empfing mich, um mir persönlich zu sagen, wie sehr er sich freute über meine Fortschritte. Und wie glücklich die Schule sich fühlte, mir das Stipendium gegeben zu haben.
    »Du bist eine von uns«, sagte er. »Eine, auf die wir stolz sind. Und das sollen alle wissen. Normalerweise dürfen Externe unsere Schulkleidung nicht tragen, aber unter der Lehrerschaft ist es die einstimmige Meinung, dass Svetlana Aitmatowa diese Auszeichnung verdient hat.« Er überreichte mir eine Tüte, in der je zwei T-Shirts und Sweatshirts mit dem Logo der Schule waren. Sogar in der richtigen Größe. Sie hatten sich vorher informiert.
    Es war ein Augenblick, über den ich große Freude und großen Triumph hätte empfinden müssen, aber stattdessen brach mir der kalte Schweiß aus.
    Ich dachte, dafür werden sie dich büßen lassen. Das werden sie nicht hinnehmen, dass du jetzt in ihrer Mitte angekommen bist. Dass sie nichts Besseres mehr sind.

    Aber das sagte ich nicht, sondern lächelte und bedankte mich und tat, als freute ich mich riesig.

    Ein paar Tage später, als ich in meinem neuen T-Shirt über den Schularbeiten saß, kam meine Mutter vom Arbeitsamt zurück.
    Wortlos verschwand sie in der Küche und wenig später rief sie mich ins Wohnzimmer. Sie hatte den Kaffeetisch gedeckt, mit rosa Buschröschen im Keramiktopf und neuen Papierservietten. Es gab Quarkkuchen. Und Törtchen mit den ersten Erdbeeren der Saison. Geschlagene Sahne. Dazu Tee mit Kandiszucker und Johannisbeergelee, wie sie es von früher her liebt.
    »Hey«, sagte ich verblüfft, »ist bei uns der Reichtum ausgebrochen?«
    Mama schaute mich an. »Ich hab einen neuen Job«, sagte sie. Sie sagte es in einem Ton, der so eine Mischung war aus Freude und Vorsicht. Ich hörte nur die Vorsicht. Ich spürte, wie sich meine Kehle zuschnürte. Wie die Angst in mir hochkroch. Dabei wusste ich noch gar nichts. Es war nur die Vorahnung.
    »Wo denn?«, fragte ich.
    »Rate!«
    Ich wollte aber nicht raten.
    »Im Erlenhof«, sagte sie. Und stach mit der Gabel in ihren Käsekuchen, als könnte der etwas dafür.
    Mir blieb das Herz stehen. »Wieso denn das?«
    »Sie haben da eine freie Stelle.« Meine Mutter schob sich ein großes Stück von dem Kuchen in den Mund, ein Käseklecks blieb an ihrer Lippe hängen. Ich wartete, dass sie ihn wegwischte, aber sie merkte es nicht.

    »Was denn für einen Job?«, fragte ich.
    »Ach«, erwiderte sie, während sie noch kaute, »man kann sich das ja nicht aussuchen. Es ist ein Putzjob.«
    Ich hätte fast meine Teetasse fallen lassen. »Ein Putzjob?«, schrie ich. »In meiner Schule?«
    »Im Erlenhof-Internat.«
    Sie nickte. Ich verdrehte die Augen.
    »Ich hab mir gedacht, dass du es nicht gut findest«, sagte sie. »Ich hab mir gedacht, dass du dich schämst.«
    Sie sah plötzlich sehr alt und sehr traurig aus und ich fühlte mich hundeelend. Ich fühlte mich so schlecht, dass ich mich am liebsten selber verprügelt hätte. Meine Mutter hatte ein Scheißleben hinter sich. Als sie so alt war wie ich, hat sie mit ihrer Familie in einer unwürdigen Behausung irgendwo in Sibirien gelebt. Sie hat in einem eiskalten Zug zwischen Sibirien und der Ukraine mich, ihr Baby, bekommen. Der Vater des Babys war zurückgeblieben. Er konnte nicht mit ihr gehen, denn er hatte schon eine Familie. Sie besaß nichts, gar nichts, nur die Erlaubnis, in die Ukraine fahren zu dürfen, und vollkommen mittellos hat sie es geschafft, dort zu studieren und Lehrerin zu werden. Und mich aufzuziehen. Und einen Mann zu finden, der gut zu uns beiden war. Und dann war ihr Traum, nach Deutschland zu kommen, endlich in Erfüllung gegangen, aber auch hier war es schwer, anders schwer, und eigentlich ging es ständig bergab. Keine Möglichkeit, als Lehrerin zu arbeiten, dann Verkäuferin, jetzt Putzfrau. Aber sie jammerte nicht, auch jetzt nicht.
    Damit es uns gut ging, damit ich eine gute Ausbildung bekam, war sie sogar bereit, einen Putzjob anzunehmen! Dafür hätte ich sie umarmen müssen. Ganz unbedingt. Ihr einen Kuss geben und ihr sagen, wie sehr ich sie liebte.

    Aber ich konnte es nicht, ich

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