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Boeses Spiel

Titel: Boeses Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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dachte immer nur: ein Putzjob an meiner Schule! Ich hing wie zerschmettert auf meinem Stuhl und rührte mich nicht.
    Mama schwieg. Sehr lange. Sie stand auf, ging im Zimmer herum, goss Wasser an die Buschröschen, zog die Gardinen zu und wieder auf, massierte, während sie auf die Straße guckte, ihren Nacken und fragte schließlich: »Ist es so schlimm für dich?«
    Da musste ich aufstehen. Ich musste einfach zu ihr gehen, von hinten meine Arme um sie schlingen und sagen: »Überhaupt nicht, aber wieso denn?«
    Sie streichelte meine Finger. »Ich arbeite im Jungenhaus«, sagte sie. »So oft werden wir uns schon nicht über den Weg laufen. Falls es dir doch peinlich ist.«
    »Es ist mir überhaupt nicht peinlich!«, rief ich. Meine Stimme klang so falsch, dass ich mich schämte.
    »Sie haben sonst einfach nichts für mich auf dem Arbeitsamt«, sagte meine Mutter. »Wenn ich nicht annehme, bekomme ich einen Vermerk in meine Papiere. Dann kürzen sie mir das Arbeitslosengeld.«
    Ich räumte den Tisch ab. Die ganze Zeit stand Mama am Fenster und drehte mir den Rücken zu. Schließlich ging sie ins Bad.
    Ich spülte das Geschirr in der Küche. Ich holte den Wäschekorb aus dem Keller und begann, meine Blusen zu bügeln. In der Wohnung herrschte Stille.
    Dann plötzlich klingelte das Telefon. Es war mein Vater. Ich nahm den Hörer ab. »Mama hat einen neuen Job!«, rief ich so laut, dass sie mich hören musste. »An meiner Schule! Ich freu mich so!«
    Da sah ich, wie meine Mutter aus dem Bad kam, wie sie
sich in den Türrahmen lehnte und mich anschaute. Wie sie ganz zaghaft und dann immer befreiter lächelte.
    »Ist es nicht großartig, Papa?«, rief ich. »Du musst ihr unbedingt gratulieren!« Ich hielt ihr den Hörer hin. »Papa freut sich auch«, rief ich. Wieder mit dieser falschen Stimme.

MAI
    Meine Mutter fing erst um neun Uhr an. Sie putzte das Jungenhaus während des Unterrichts. Die Jungen bekamen von ihr nicht viel zu sehen. Da sie anschließend in der Wäscherei arbeitete, zu der Schüler keinen Zugang hatten, bestand auch keine Gefahr, dass wir uns nachmittags über den Weg liefen und uns irgendwie verrieten …
    Mama gefiel die Arbeit, sie sprach mit Wärme und Sympathie von der Atmosphäre, die hier herrschte (ich war überrascht), ganz anders als im Supermarkt. Als man merkte, dass sie gerne las, wurde sie eingeladen, sich aus der Bibliothek Bücher auszuleihen. Abends lag sie jetzt immer auf dem Sofa, das Gesicht halb von der Leselampe bestrahlt, und war nicht ansprechbar.
    Wie gesagt, wenn wir uns nicht verrieten, konnte es eigentlich kein zusätzliches Problem bedeuten für mich, dass meine Mutter im Erlenhof putzte und wusch. Zumal sie einen anderen Nachnamen hatte als ich. Leschkowa. Anna Leschkowa. Weil sie Olegs, meines Stiefvaters Namen angenommen hatte. Ich habe komischerweise ihren Mädchennamen behalten. Aitmatowa. Ich habe das nie verstanden und Mama hat es mir auch nicht wirklich richtig erklären können, es hing irgendwie mit Olegs Papieren zusammen, dass er mich nicht adoptieren konnte. Und es war wohl auch wegen der Unterstützung, die mein leiblicher Vater
an meine Mutter zu zahlen hatte und auch zahlte. Solche Dinge eben.
    Jedenfalls hieß ich nicht wie meine Mama. Und sie hieß nicht wie ich.
    Mit etwas Glück würde es nie herauskommen, dass sie meine Mutter war.
    Aber das bisschen Glück hatte ich nicht.

    Ich gewöhnte mich an den Gedanken, dass sie in der Nähe arbeitete, während ich im Klassenzimmer den Stoff büffelte. Der Schulkomplex und die Gebäude, in denen sie sich aufhielt, waren voneinander getrennt, weit auf dem großen Grundstück verteilt.
    Wir fuhren morgens zu getrennten Zeiten los - ich mit dem Rad, sie mit dem Auto - und kamen abends zu getrennten Zeiten nach Hause.
    Manchmal vergaß ich in der Schule vollkommen, dass meine Mutter »nebenan« war, in ihrem blauen Wickelkleid und dem bunten Tuch, das sie bei der Arbeit um ihre wilden Locken knotete, damit sie ihr nicht immer ins Gesicht fielen …
    Ich hatte mich für ein Referat in Geografie gemeldet. Es ging um die Unabhängigkeitsbestrebungen kleiner Volksgruppen. Die ETA in Spanien, die Albaner im Kosovo, und was das für die EU bedeutete. Ziemlich politisch, aber das fand ich interessant.
    Ich kniete mich in die Arbeit, suchte im Internet, lieh mir Zeitschriften und Abhandlungen aus, in denen diese Probleme untersucht wurden.
    Das Referat hatte ich zu Hause am Computer geschrieben und dann ausgedruckt. Ich

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