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Boeses Spiel

Titel: Boeses Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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Furchtbares. Ich wünsche es meinem ärgsten Feind nicht, dass er sein Leben mit Diebstählen finanzieren muss.
    Es ist ganz etwas anderes, ob du einen Laden betrittst, mit der Absicht, etwas zu kaufen oder weil du etwas klauen willst.
    Du merkst auf einmal, dass dein Gesicht sich irgendwie verzieht, dein Lächeln ist nicht echt, deine Begeisterung für irgendwelche Klamotten willst du auf einmal nicht zeigen. Du willst nicht auffallen. Wenn eine Verkäuferin dich anspricht, wirst du rot oder reagierst verlegen. Egal was für ein Gesicht du machst, es kommt dir falsch vor, du denkst: Das müssen sie doch sehen, dass du hier in krimineller Absicht kommst.
    Und dann verbarrikadierst du dich in der Kabine und versuchst, drei Klamotten übereinanderzuziehen. Aber dann siehst du auf einmal, dass sie alle diesen Sicherheits-Chip haben und du garantiert nicht so durch die Sperre kommst. Also alles wieder ausziehen und in einen anderen Laden gehen, wo die Klamotten nicht gesichert sind.
    Am ersten Nachmittag hatte ich nach mehreren Anläufen ein weißes T-Shirt von Calvin Klein »geschafft« und einen roten Glitzergürtel.
    Danach war ich wie in Schweiß gebadet. Als ich mit dem
Zug zurückfuhr, bin ich aufs Klo, um mich zu übergeben, aus dem Spiegel guckte mich eine Person an, die ich nicht kannte. Eine schmutzige, schnoddrige, unsympathische Person.
    Ich spuckte gegen den Spiegel und rieb ihn mit dem Ärmel wieder blank.
    Mir ging es erst besser, als ich die Sachen zu dem Heuschober gebracht hatte, der auf dem Weg zum Erlenhof liegt. Der Schober mit der Futterkiste. Es war mein Plan, dass ich meine neuen Sachen alle dort in dieser Kiste verstauen würde, in Plastiktüten, sodass sie keinen Geruch annahmen.
    Ich konnte die Klamotten nicht mit nach Hause nehmen, weil meine Mutter sofort gemerkt hätte, was lief. Sie wusste, wie viel - oder besser: wie wenig Taschengeld ich bekam...
    Also musste ich jetzt immer mindestens zehn Minuten früher aus dem Haus, um mich in dem Schuppen umzuziehen.

    Das neue T-Shirt sah toll aus. Fand ich jedenfalls. Der Gürtel passte zu meinen Bermudas. Es war ein heißer Tag. Und meine Bermudas waren okay. Sie waren dunkelblau und sa ßen klasse.
    Wenn ich einen Spiegel gehabt hätte in dem Schober, wäre es mir sicher noch besser gegangen.
    Ich überlegte mir ernsthaft, als ich das letzte Stück Weg zum Gymnasium zurücklegte, wo man wohl einen Spiegel klauen könnte, um ihn hier aufzustellen.
    An dem Punkt war ich schon.
    Niemand sagte etwas, als ich meinen Auftritt in der Schule
hatte, aber ich wusste, dass sie alle - jedenfalls die Mädchen - sahen, dass ich neue Sachen trug.
    Immer wieder spürte ich ihre misstrauischen, ich möchte fast sagen: neidischen Blicke. So ein T-Shirt von Calvin Klein war auf jeden Fall schicker als die blöden Hemdblusen mit den Hermès-Tüchern von Felicitas.
    An dem Tag hab ich mich zum ersten Mal wieder auf den Schulhof getraut.
    Danke, Calvin Klein. Danke, Glitzergürtel …
    Am schwierigsten war es, Jeans mitgehen zu lassen. Man kann nicht - außer man hätte Beine wie Zahnstocher - zwei Paar Hosen übereinanderziehen und so aus dem Geschäft spazieren, ohne Verdacht zu erwecken. Ich konnte das jedenfalls nicht. Ich fühlte mich ständig beobachtet, so als wären die anderen Kunden alles Detektive, die mich mit Röntgenaugen anschauten. Ich hatte, nach vier Diebstahltouren, wirklich das Gefühl, dass es in den Geschäften mehr Spione als Käufer gab. Ich fühlte mich geradezu umzingelt, aber ich hatte keine andere Wahl. Wie gesagt, ich brauchte diese Sachen, um zu überleben. Wenn ich das aber jemandem erzählt hätte und erklärt, weshalb ich stahl, er hätte mich für verrückt gehalten. Das war mein Problem. Niemand hatte eine Ahnung, wie schlecht es mir ging. Wie fertig ich war.
    Ich war ein zitterndes Bündel, schweißnass vor Angst, ich hätte mich am liebsten irgendwo verkrochen, wenn ich den großen Platz überquerte, um eines der Geschäfte in der Hauptstraße anzusteuern. Verkrochen - von mir aus unter einem dieser Tische (wenn Markttag war), auf denen Berge von Tomaten oder Bananen lagen. Ich wäre auch in eine Mülltonne gestiegen. Alles besser, als in diese Boutiquen zu
schlendern, als habe man die Börse voller Geld, so wie Marcia und Felicitas es bestimmt machten. Ganz selbstbewusst und cool.
    Es war der blanke Horror. Doch ich musste da rein, in diese Geschäfte, in denen es die Dinge gab, die mich retten sollten.
    Ich hab wegen ein paar

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