Bokeh
Maria kriegt das aber noch hin.“
„Scheiße, morgen ist verdammt eng, das weißt du“, knurrt Dirk unzufrieden. „Und Marias Typ passt nicht zu dem Kleid. Außerdem müssen wir bis 22 Uhr aus dem Studio sein. Große Scheiße.“
„Das passt schon noch“, versichert Caleb. „Dann … eins der anderen Models.“ Ich mag, dass er nicht unterwürfig oder hektisch wird. Kein typischer Kriecher.
„Wenn es morgen zeitlich so eng ist ...“ Ich schiebe mich kaum merklich vor. Und streiche mir in einer wohlüberlegten Geste eine Haarsträhne zurück. „Ich pose gelegentlich auch für Frauenmode. Ich könnte es sonst ja noch machen.“
Oh, wie ich diesen Blick liebe, der sich ein wenig überrascht auf mich richtet. Dirks Mund verzieht sich zu einem erfreuten Grinsen. Seine Begeisterung ist beinahe spürbar.
„Genial, Joschi. Hopp, zieh es an. Da bin ich sehr gespannt. Hach, toll, das wird eine Herausforderung.“ Feuerdirk in seinem Element. Und ich bekomme einen weiteren Auftritt auf seiner Bühne.
5 Nicht im Fokus
Ich seufze verhalten.
Heute, wo es besonders gelungen sein muss, fehlen mir die Menschen, die wirklich Ahnung haben. Die Stylistin ist zwar unsicher, sie macht dennoch keinen schlechten Job. Aber es könnte viel besser sein. Ich lasse ihr Zeit, korrigiere gelegentlich.
Dirk hat ein paar Mal in den Raum gespäht, ich habe es aus dem Augenwinkel wahrgenommen. Er ist also neugierig. Sehr gut.
Oder nur ungeduldig.
Mir gefällt mein Styling. Die Haare bleiben natürlich offen, sind leicht gewellt, betonen die weichen Linien im Gesicht. Das Kleid musste ein wenig geändert werden, denn natürlich sind meine Hüften nicht die einer Frau. Zum Glück nicht. Viel Busen hat keins der mageren Models. So passe ich auch hinein.
Kritisch musterte ich das Resultat. Nicht perfekt, weit entfernt von perfekt. Es wird leider auch so gehen müssen.
Mein dummes Herz hüpft schon wieder zu schnell, droht meine Gelassenheit zu zerstören. Wird es anders sein? Nein, natürlich nicht. Dirk wird mich wie immer durch die Kamera sehen. Ob weiblich oder männlich, was spielt es für ihn für eine Rolle.
„Wow“, entkommt es allerdings Caleb, der mich mit großen Augen anstarrt. „Das ist echt … Wahnsinn.“ Ich lächle ihn an. Eindeutig ist er beeindruckt und in seinen Augen flackert etwas durchaus Vertrautes. Schau an.
Lohnt es sich, dieser Glut Nahrung zu geben? Bringt mir das was?
Dirk eifersüchtig zu machen, wird nur gelingen, wenn in seinen Augen dasselbe steht. Dann könnte ich Calebs Interesse ausnutzen. Es kommt auf einen Versuch drauf an.
Dirk schaut von seinem Laptop hoch und sein Blick gleitet über mich, erfasst das Kleid, meine Beine in den Nylonstrümpfen, die hochhackigen Schuhe und wandert nach oben über die flache Brust und die Haare. Anerkennend. Zufrieden schaut er aus. Nur zufrieden.
Kalte Enttäuschung erfasst mich und ich zwinge mich, das selbstsichere Lächeln beizubehalten. Einmal um die Achse drehen. Etwas verführerisch die Augen niederschlagen, die Hüfte weicher bewegen. Fraulicher.
„Nicht schlecht“, meint er. „Das funktioniert. Gefällt mir.“ Zu wenig. Wie immer zu wenig.
„Er schaut wirklich … toll aus“, kommt es hingegen von Caleb. Erwachtes Interesse. Die Enttäuschung lässt mich ihm lasziv zuzwinkern. Grinsend quittiert er es.
„Dann los. Versuchen wir es.“ Dirk streicht sich die lose Strähne zurück und reibt sich über den Bart. Längst schaut er nur noch durch seine Kamera. Ich bin nicht in seinem Fokus, nur das Model und das Kleid. Er macht seinen Job, ich mache meinen. Und wir sind beide gut darin.
Der einzige, auf den ich richtig wirke, ist Caleb. Offensichtlich törnt ihn ein Mann im Kleid an, den seine Blicke ziehen mich regelrecht aus. Vielleicht fasziniert ihn das Andersartige. Nun, ich biete ihm die Show nur zu gerne. Es passt zum Shooting und warum soll ich seine Blicke nicht dafür nutzen?
„Perfekt. Das ist es. Joschi du bist großartig.“ Dirks Kamera klickt mir die Bestätigung.
„Viel besser, als die Elisa“, bestätigt Caleb pflichtbewusst und geil. „Das ist sexy. Wirklich sexy.“ Sein Blick folgt mir, hängt an meinem Hintern und ich bewege ihn aufreizend in seine Richtung. Mich amüsiert die Vorstellung, dass er sich dort im Dunkeln unbemerkt einen runterholen könnte und Dirk würde es nicht einmal bemerken.
„Ja, ich habe es. Noch einmal durch die Haare streichen. Ja. Genau so. Lippen.“ Klick, klick. Mit jedem Klick
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