Bokeh
ist klug genug, sich einfach mitnehmen zu lassen. Raus aus dem Rampenlicht hinein ins Kino.
Dort müssen wir natürlich auch noch ganz viele Hände schütteln und Glückwünsche über uns ergehen lassen, die größtenteils geheuchelt, teilweise gleichgültig und gelegentlich ernst gemeint sind. Die weiblichen Promis und Models fressen wahlweise mich oder Dirk mit den Blicken auf. Zum Glück bemerkt er das ja nicht und selbst wenn: Ladies - he is mine.
Die eine oder andere fängt sich einen bissigen Kommentar ein, als sie mal wieder theatralisch seufzen: „So schade, dass ihr schwul seid. Was für eine Verschwendung.“ Dirk ist eher schweigsam und atmet erleichtert aus, als wir endlich sitzen und der Film beginnt. Mein Kopf ruht an seiner Schulter, meine Hand liegt in seiner, und wer oder wenn oder was auf der Leinwand in die Luft sprengt oder ins Bett bekommt, ist mir herzlich gleichgültig, denn ich schaue lieber meinen Dirk an.
Die Party danach ist erneut erfüllt mit neugierigen Fragen und Schleimern, die sich in dem kurzfristigen Medieninteresse mitsonnen wollen. Sollen sie, keiner von ihnen hat, was wir haben. Morgen werden wir die Schlagzeilen füllen und dann wieder verschwinden. Model Joschi ist in festen Händen und kein Skandal mehr zu erwarten. Lisa sorgt dafür, dass diese Botschaft bei jedem ankommt.
Als wir endlich fortkommen und die Limousine uns zum Flughafen bringt, legt Dirk den Arm um mich und küsst mich. Er sagt keinen Ton, seine Nähe ist ausreichend und ich schließe die Augen, überlasse mich seinem Aftershaveduft und den vertrauten Zärtlichkeiten. Ab der nächsten Woche werden wir uns weniger sehen. Jeder hat seinen Job. Das Leben geht weiter.
Es werden schwierige Wochen. Die erste Zeit ist furchtbar, denn ich sehne mich jede Minute nach ihm, bin unkonzentriert und patze erstaunlich oft. Nicht so schlimm und außer mir bemerkt es eh kaum jemand, aber ich bin nicht der alte Joschi. Früher habe ich auch oft an ihn gedacht, nur war er da stets nur für Träume reserviert. Die Realität ist umwerfend anders.
Keine SMS, kein Telefonat, keine Mail kann das Gefühl von purem Glück ersetzen, wenn ich bei ihm bin. Der Sex ist fantastisch, das Zusammensein ist großartig, Liebe ist etwas Wunderbares. Wir verstehen uns einfach, sind füreinander geschaffen.
Ich fliege nach meinem Job zu ihm und wir erholen uns von der Trennung irgendwo an einem einsamen Strand. Mit Dirk die Natur erkunden ist speziell, und mit seinen Augen Dinge zu sehen, eröffnet mir andere Blickwinkel. Er hat mir gezeigt, worauf man beim Fotografieren achten muss und ich verstehe immer besser, wie er denkt, was er fühlt, was er sieht und wie er etwas wahrnimmt. Jeder Tag, jede Stunde, jede Minute, lässt mich mehr von ihm entdecken.
Ein Leben ohne ihn? Undenkbar.
Lisa mault nur noch gelegentlich, wenn ich Termine ablehne oder verschiebe, weil dann Dirk gerade keinen Auftrag hat. Sie gönnt mir mein Glück und weiß genau: Im Zweifelsfall lasse ich den Auftrag sausen. Was bedeutet mir das Geld oder weiterer Ruhm? Ich habe, was ich wollte. Alles andere sind Boni. Die Zeit mit meinem Freund ist mir viel mehr wert.
Scheint so, als ob die Schlampe Joschi ebenfalls verschwunden ist. Gelegentlich kriege ich noch eindeutige Angebote. Lächeln, den Kopf schütteln, verneinen. Das ist vorbei und kommt nie wieder. Der Joschi, den man ausnutzen konnte und der andere benutzt hat, existiert nicht mehr.
Unerfreulich nur das letzte Telefonat mit meiner Mutter. Sie wollte mich zum Kaffee einladen. Natürlich nicht ohne Hintergedanken, das kenne ich schon. Es ging um eine Villa, die ganz in der Nähe zum Verkauf stand und die ihr doch so gut gefiel.
„Joschi, wir könnten sie uns ja mal ganz unverbindlich ansehen. Der Garten ist wie ein Park und du musst dir diese Auffahrt ansehen. Dein Vater war auch sehr angetan davon.“ Ich verdrehe innerlich die Augen. Manchmal wäre es mir fast lieber, sie würde mir direkt die Summe nennen, die ihr neues Spielzeug kosten soll, ich schicke ihr das Geld und wir müssen nicht um den heißen Brei reden.
„Ist in Ordnung, ich komme vorbei und ich ...“ Zögern, denn diesen Schritt habe ich zwar schon lange geplant, jedoch noch nie umgesetzt. Nun, ich rede nicht gerne drumherum: „Ich bringe meinen Partner mit. Dann könnt ihr ihn kennen lernen.“
Schweigen in der Leitung. Ich sehe sie vor mir, wie sie angestrengt überlegt.
„Deinen … Partner? Du … meinst … einen ...“, sie
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