Bold, Emely
schmerzte und er sank zu Boden. Er lehnte seinen breiten Rücken an seine frisch polierte Alufelge und rieb sich die Tränen aus den Augen. Der Sturz hatte spektakulär ausgesehen, doch Sean war schon immer so waghalsig und hatte Tausende solcher Stürze ohne mit der Wimper zu zucken weggesteckt. Und er selbst hatte mindestens die Hälfte davon gesehen und noch nie das Bedürfnis verspürt, darüber zu lachen. Sie fühlten eben einfach nichts. Keinen Schmerz und auch keine Freude. Es gab in ihrem Leben nichts zu lachen. So war es immer gewesen. Doch jetzt hörte Blair das laute Fluchen und Heulen seines Bruders, und der Vergleich an ein kleines Mädchen drängte sich ihm auf. Sean rieb sich nach wie vor den Knöchel und hielt sich die geprellte Seite.
„Ist doch unheimlich lustig, oder?“, fragte Blair prustend.
„Was?“ Sean fand gerade überhaupt nichts lustig und ärgerte sich über Blair.
„Dass du nach all der Zeit ausgerechnet bei einem Sturz etwas fühlst! Nicht dann, wenn du dir auf die Zunge beißt, sondern dann, wenn du mit achtzig Sachen unter deinem Motorrad landest!“
Blair kringelte sich vor Lachen, doch er stand hilfsbereit auf und hakte sich bei Sean unter. Lachend und jammernd wankten die beiden in die Halle.
Nathaira Stuart studierte gerade ein Kräuterlexikon und blickte verwundert auf, als die beiden lautstark hereinplatzten. Blair lud Sean auf einem der hochlehnigen Stühle ab. Nathaira hatte ihr Buch aus der Hand gelegt und war aufgestanden. Verwirrung spiegelte sich in ihren stolzen Zügen wieder. Sie schüttelte den Kopf und runzelte die Stirn.
„Was ist hier los?“
Ihre klare befehlsgewohnte Stimme donnerte durch die große Halle. Blair und Sean schauten sich kurz an, ehe nun beide in schallendes Gelächter ausbrachen.
„Hört gefälligst auf zu lachen, ihr Idioten!“
Nathaira war eine schwarzhaarige Schönheit, deren grüne Augen gerade vor Zorn sprühten.
„Blair, ich verstehe wirklich nicht, wie ihr euch so aufführen könnt!“
Ihr ungläubiger Blick wanderte von einem zum anderen. Ihr Verlobter Blair stützte sich an der Stuhllehne ab, so sehr musste er lachen. Tränen liefen seine markante Wange hinunter und er hielt sich den Bauch. Da sie noch immer keine Antwort bekam, stampfte sie zornig mit dem Fuß auf.
„Blair! Antworte mir! Was ist hier los?“
Einen ganzen Satz bekam er nicht heraus, doch er deutete auf Sean und prustete:
„Er hat sich verletzt, … heult wie ein Baby!“
Ruckartig fuhr Nathairas Kopf zu Sean herum.
„Verletzt? Was soll das bedeuten?“
Beunruhigt eilte sie an Seans Seite und zerrte an seinem Hosenbein herum.
„He, Blair, sag deinem Frauchen, sie soll mir nicht an die Wäsche gehen!“, versuchte Sean sich zu entwinden.
Sie schlug seine abwehrende Hand beiseite und fuhr ihn an:
„Halt den Mund du Idiot! Denk doch mal selbst nach! Warum bitteschön hast du Schmerzen?“
Inzwischen hatte auch Blair seinen Lachanfall überwunden und legte seiner Verlobten die Hand auf die Hüfte.
„Beruhige dich. Es wird schon eine logische Erklärung geben.“
Sean nickte zustimmend, denn er wollte ganz sicher nicht, dass sie weiter an ihm herumzerrte. Nathaira begann, unruhig auf und ab zu gehen. Sie murmelte unverständlich vor sich hin und warf ab und zu einen ungläubigen Blick auf die beiden Männer. Dann eilte sie aus der Halle. Blair und Sean schauten ihr verwundert nach.
„Ist schon komisch, oder?“, grübelte Sean.
„Ja. Aber ich glaube nicht, dass es eine besondere Bedeutung hat.“
„Nicht? Aber so etwas ist doch noch nie passiert.“
Blair war nicht gerade der große Denker und hatte auch keine Lust sich unnötig den Kopf zu zerbrechen.
„Ist doch egal. Ist ja nichts Schlimmes passiert.“
Sean dachte kurz über Blairs Worte nach, doch er war wieder einmal nicht der gleichen Meinung.
„Schon, aber willst du gar nicht wissen, warum? Also ich schon, denn wenn das jetzt öfter vorkommt, dann sollte ich mir doch lieber einen etwas ruhigeren Fahrstil angewöhnen.“
Nathaira kam mit etlichen Büchern beladen zurück. Sie ließ den Stapel auf den Tisch fallen und schob sie hin und her, bis sie das gewünschte Werk gefunden hatte. Alle Bücher hatten eine unübersehbare Gemeinsamkeit. Sie waren alt. Sehr alt.
„Hier irgendwo habe ich vor langer Zeit etwas gelesen, das uns weiterhelfen kann. Wo ist es nur?“
Blair hatte längst das Interesse verloren und wollte lieber seinen Wagen fertigmachen, bevor ihm das typisch
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