Bold, Emely
Sein trauriges Lächeln hatte mir gezeigt, dass er mich ebenso sehr brauchte, wie ich ihn.
Ich erschrak, denn mein Handy klingelte. Mit hektischen Bewegungen setzte ich mich auf und räusperte mich, ehe ich das Gespräch annahm.
„Ja?“
„Hallo Sam. Schön, dass du dich gemeldet hast. Leider hat man in den Highlands nicht überall Netz. Was treibst du so?“
Unglaubliche Erleichterung durchströmte mich. Er hatte kein Netz gehabt!
„Nichts Bestimmtes. Ich langweile mich ehrlich gesagt.“
Am anderen Ende der Leitung blieb es kurz still, dann sagte Payton in ernstem Ton:
„Ich möchte dir jetzt meine zweite Frage stellen.“
„Welche zweite Frage?“
„Ich habe alle deine Fragen beantwortet und dafür drei ehrliche Antworten von dir verlangt. Bekomme ich nun meine zweite Antwort?“
„Ach so. Daran habe ich schon gar nicht mehr gedacht. Was hast du denn für eine Frage?“
„Du hast gesagt du langweilst dich. Ist das wirklich der einzige Grund, warum du mich anrufst?“
Seine Frage war ernst gestellt und er schien mich nicht aufziehen zu wollen. Kurz überlegte ich ihn anzuschwindeln, doch ich hatte es ihm versprochen. So leise, dass ich hoffte, er würde es nicht verstehen, murmelte ich:
„Nein, das ist nicht der einzige Grund. In erster Linie gehst du mir nicht mehr aus dem Kopf.“
Wieder war es still. Dann veränderte sich Paytons Tonfall und er war wieder viel lockerer.
„Gut. Was willst du unternehmen?“
Was? Ich verstand nun überhaupt nichts mehr! Ich hatte doch eben beinahe so etwas wie ein Liebesbekenntnis gemacht und die einzige Reaktion war „ gut. “! Sagte man nicht normalerweise so etwas wie: „Ja, ich muss auch oft an dich denken“ , oder vielleicht „Mir geht es genauso“ , oder eben irgendetwas anderes als einfach nur „ gut.“ ? Trotzdem versuchte ich, mir meine Wut nicht anmerken zu lassen.
„Egal. Was du willst. Wir müssen uns auch nicht sehen, wenn du keine Lust hast.“
Wollen wir doch mal sehen, ob ich dich nicht auch einfangen kann. Ich würde jedenfalls nicht noch einmal zeigen, dass ich gerne mit ihm zusammen sein würde.
„Doch, natürlich will ich dich sehen. Aber leider kann ich heute nicht. Und morgen muss ich mich mit meinem Bruder treffen. Es gibt wohl zuhause irgendwelche Probleme. Aber abends hätte ich Zeit.“
Ich war froh zu hören, dass er mich also auch treffen wollte, aber auch gleichzeitig enttäuscht darüber, dass er noch andere Pläne hatte.
„Abends? Was sollen wir denn machen?“
„Na, du wirst doch nicht vorhaben, Schottland wieder zu verlassen, ohne vorher in einem Pub gewesen zu sein? Ich hole dich so gegen acht an der Bushaltestelle ab.“
Ein Pub war nicht gerade das, was mir vorgeschwebt war, und außerdem würde ich zuerst noch einmal mit Alison reden müssen. Aber es würde schon irgendwie klappen, davon war ich überzeugt.
„Okay. Dann bis morgen.“
„Ja, bis morgen, mo luaidh.“, flüsterte Payton zärtlich zum Abschied. Dann war die Verbindung beendet.
Mo luaidh? Was bedeutete das? Jetzt würde ich bei Gelegenheit also doch noch ein gälisches Wörterbuch kaufen müssen. Tja, wie ungemein praktisch, dass ich morgen ohnehin Zeit haben würde, nach Inverness zu fahren. Als ich an das Wörterbuch dachte, fiel mir auch Grandmas Amulett wieder ein. Dieses merkwürdige Ding! Als ich nach der Nacht am Strand wieder zu Hause war, hatte ich dort, wo das Schmuckstück meine Haut berührte, wieder einmal deutliche Rötungen. Allerdings schloss ich mittlerweile eine Allergie aus, denn dieses Brennen war nicht dauerhaft. Doch es kam immer in ungünstigen Augenblicken. Gerade dann, wenn ich an Payton dachte, oder mich ihm nähern wollte, bemerkte ich dieses blöde Brennen. Zumindest war es nicht mehr so schlimm wie am Anfang. Ich nahm die Kette ab und wog das Schmuckstück in den Händen. Zum Vergleich holte ich auch das Clanswappen aus meinem Rucksack. Genau identisch. Warum lag in Grandmas Dachboden ein schottisches Clanswappen? Ein sehr altes Wappen. Ein altes Wappen mit merkwürdigen Eigenheiten! Vielleicht würde ich morgen in Inverness ja auch etwas darüber in Erfahrung bringen können. Für heute jedenfalls hatte ich genug gegrübelt. Ich legte beide Stücke auf den Schreibtisch und überlegte kurz, ob ich Kim anrufen sollte, doch dann entschied ich mich dagegen. Stattdessen warf ich mich vor den Fernseher und zappte durch die Programme, bis ich eine Folge Mister Bean fand.
Später schaltete ich den
Weitere Kostenlose Bücher