Bold, Emely
ihnen. Mit kalten Blicken taxierten sich die beiden und die Wunden die sie sich gegenseitig schon vor langer Zeit zugefügt hatten, standen ihnen deutlich ins Gesicht geschrieben.
„Ja! Und jetzt verschwinde!“, murmelte Alasdair schließlich.
Zufrieden griff Nathaira nach ihrem Mantel und schlüpfte hinein. An der Tür blieb sie stehen, betrachtete den Mann vor sich und ein trauriges Lächeln stahl sich über ihre Züge.
„Alasdair, wenn du mir doch irgendwann verzeihen kannst, dann …“
„Das werde ich nicht, niemals.“
Kalt und abweisend wie ein Fels stand Alasdair da. Kein Funke Mitgefühl war in seinen grünen Augen zu sehen. Nathaira hob ihr Kinn und trat entschlossen hinaus in den Hof. Es war dunkel geworden. Nach diesem Treffen verspürte sie keine Lust, in die Enge der Burg zurückzukehren. Darum spazierte sie zur Wehrmauer und setzte sich auf einen Vorsprung.
Warum war ihr Leben nur so kompliziert? Als junges Mädchen hatte sie Alasdair Buchanan wirklich geliebt. Der schöne Krieger ihres Vaters hatte seine nordmännischen Wurzeln nicht verleugnen können. Seine Stärke und sein Mut hatten die damals zweiundzwanzigjährige Schönheit beeindruckt. Bei einem Fest zu Ehren ihres Vaters war sie ihm gegenüber an der Tafel gesessen. Wie er sie damals angesehen hatte; so voller Bewunderung und Leidenschaft.
Schon direkt nach dem Essen hatte er Nathaira am Arm genommen und sie heimlich aus dem Raum geführt. Im Halbdunkel des Treppenaufganges hatten sie beide keine Sekunde vergeudet, sondern waren ihren Gefühlen gefolgt und hatten sich geküsst. Eine ganze Zeit hatten sie ihre Romanze geheim halten können, doch dann war Nathairas Vater gestorben. Während der Trauerzeit hatte sich für Alasdair keine Möglichkeit geboten, seiner Geliebten nahe zu sein. Und nur wenige Tage später war er von Cathal, dem neuen Oberhaupt, abkommandiert worden, um mit einigen weiteren Kriegern den Überfällen im Grenzland ein Ende zu bereiten. Er hatte sie verlassen, ohne zu wissen, dass Nathaira sein Kind unter dem Herzen trug. Zwei Monate war er weg gewesen. Zwei Monate, in denen Nathaira mit Schrecken erkannt hatte, dass sie schwanger war. Sie hatte sich vor Cathals Reaktion gefürchtet. Zu dieser Zeit hatte ihr Bruder seine Macht schützen müssen, so viel hatte Nathaira gewusst. Ebenso, dass er sie seinem besten Freund und Bündnispartner Blair McLean zur Frau hatte geben wollen. Tausend Fragen waren ihr durch den Kopf gegangen: Was würde er ihr antun, sollte er von ihrem Zustand erfahren? Würde er sie fortjagen? Würde er Alasdair umbringen? Nur eines war klar gewesen: Einer Ehe zwischen ihr und Alasdair hätte Cathal niemals zugestimmt. Stattdessen hätte er ihr vorgeworfen ihre Familie beschmutzt und ihn hintergangen zu haben.
Starr vor Angst hatte Nathaira das Einzige getan, was ihr möglich war: Sie hatte sich davongeschlichen. Zwei Tage war sie nach Norden geritten, hatte gehofft, die weise Frau in den Bergen zu finden. Und erst als sie schon beinahe die Hoffnung aufgegeben hatte, geschah etwas Merkwürdiges:
Ohne eine einzige Wolke am Himmel zuckten plötzlich blaue Blitze über sie hinweg und blendeten sie. Als Nathaira wieder sehen konnte, kam eine buckelige, grauhaarige Frau auf sie zu. Nathaira bekam es mit der Angst zu tun, als die klauenartigen Hände der Frau ihr den Weg wiesen. Mit zitternden Knien folgte sie wortlos der Hexe immer tiefer in die Berge. Erst Stunden später erreichten sie eine abgelegene Hütte.
„Ich bin Brèagha-muir. Du hast nach mir gesucht. Ich weiß, was du von mir willst, aber ich sage dir gleich: Es ist gefährlich. Wenn du es dennoch willst, dann folge mir.“, krächzte die Alte mit einer Stimme, die einem durch Mark und Bein drang.
Ohne ein weiteres Wort verschwand die Hexe in ihrer Hütte und Nathaira rieb sich die Arme. Sie wollte die Kälte aus ihren Gliedern vertreiben. Wenn sie noch länger darüber nachdenken würde, käme ihr Entschluss ins Wanken, daher holte sie ein letztes Mal tief Luft und folgte der Frau in die düstere Hütte. Die Holzbalken der Wände waren vom Ruß der Feuerstelle in der Mitte des Raumes, geschwärzt. Von der Decke hingen Kräuterbündel und Säckchen, die einen herben Geruch verströmten. Ein dampfender Kessel hing über dem Feuer und Zwiebeln, sowie ein bereits gehäuteter Hase, lagen neben einem großen Messer auf dem Tisch.
„Setz dich und trink das.“, forderte Brèagha-muir sie auf.
Nathaira tat wie ihr geheißen und
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