Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition)
die nicht schlafen, bis zur Hals-krause voll mit Drogen. Und soweit ich wusste, konnte er auch ein Heckenschütze auf der Pirsch sein.
Ich hätte Hadley auf der Schute zurückhalten können, aber sie hatte bereits Angst, und mir war nicht danach, länger durchzuhalten als dieser Bursche, wo ich doch bloß schlauer sein musste.
Inzwischen wüsste er, dass außer einem Sprung in den Hudson River nur zwei Routen von der Schute wegführten. Eine nahm die
Gwinnett;
die andere ging die Rampe hinab und das Ufer hinauf in die Sackgasse, wo unsere Autos stehen, abgesehen von dem braunen Mercedes.
Die
Gwinnett
war gut sichtbar vertäut.
In der Sackgasse parkte nichts. Einen meiner Wagen hatte Rue dabei; der andere, mein alter Porsche mit dem Sprung im Motorblock, war seit einem Jahr abgemeldet. Das Motorrad, das ich gewöhnlich benutzte, benötigte einen neuen Reifen, und Meriwethers Truck war in der Werkstatt.
Der Killer konnte seine Augen nicht überall haben. Die
Gwinnett
zugleich mit der Rampe zur Schute zu überwachen, wäre ihm unmöglich; aber wohin er sein Augenmerk richtete, ließ sich unmöglich sagen, und Raten konnte ich mir nicht leisten.
Da ein zurückliegendes Verhalten die beste Voraussage für ein zukünftiges Verhalten ist, war ich mir sicher, dass der Killer einen Plan hatte.
Aber ich hatte einen besseren.
Ich hatte die
Dumb Luck
rund sechs Monate besessen, da hatte ich einen verborgenen Pfad entdeckt. Er begann etwa zweihundert Meter nördlich der Schute in einer Öffnung im Gestrüpp am Ufer. Auf der anderen Seite des schmalen Durchgangs gab es einengepflasterten Weg durch eine Baumschule, mit üppigem grünen Moos in den Ritzen, überdacht von efeuumrankten Bogengängen, sodass sich der Effekt eines zierlichen grünen Tunnels ergab.
Die einzige Person, die dämlich und reich genug war, eine Wagenladung Geld für den Bau eines geheimen Pfades aus einer Festung in den Hinterhof einer alten Frau in Weehawken auszugeben, war die Person, die dämlich und reich genug war, eine Schute in einem Pokerspiel zu verlieren.
Als ich Pauline von der Entdeckung des Pfades erzählte, war sie besorgt, eventuell gegen irgendwelche Baugesetze verstoßen zu haben, und sie bat mich, ihn nicht zu erwähnen, was ich auch getan habe.
Hin und wieder gehe ich durch die Bäume, hacke Bewuchs beiseite und vergesse ihn ein paar Jahre wieder.
Kurz bevor Hadley und ich nach Connecticut aufbrachen, sagte ich, ich würde nach wie vor bezweifeln, dass sie in Gefahr sei, aber ich hätte mich entschlossen, auf Nummer sicher zu gehen, und wolle einer gefahrloseren Route von der Schute weg folgen.
»Warum ist sie gefahrloser?«
»Für den Fall, dass uns jemand beobachtet«, entgegnete ich, »wird er nicht sehen können, wohin wir gehen.«
»Sie sind jetzt doch der Ansicht, dass ich in Gefahr bin«, sagte sie.
»Der Weg ist hübsch«, sagte ich. »Es wird … Spaß machen.«
Meine Güte, dachte ich, jetzt bin ich völlig durchgeknallt.
»Spaß«, wiederholte sie. »Sie sehen nicht aus wie ein Spaßvogel.«
»Ich bin kein Vogel«, sagte ich.
»Na ja, dann sind wir schon zu zweit«, meinte sie. »Oder nicht?«
Ein paar Minuten später schlenderten Hadley und ich die Rampe von der Schute im strömenden Regen hinab. Hadley trug den Fischerhut mit umgeschlagener Krempe und sah aus wie ein Teenager. Ich hatte eine Kappe auf, und wir beide trugen Regenjacken, während wir den geheimen Pfad entlanghasteten.
Trotz meines Beins versuche ich, in Form zu bleiben. Ich versuche auch, daran zu glauben, dass Laufen und Training das Trinken,Rauchen und das Junkfood ausgleichen, das ich so gern esse. Ich weiß, dass meine Reflexe langsamer werden, aber noch haben sie mich nicht im Stich gelassen.
Trotzdem habe ich gelernt, nie den Feind zu unterschätzen, in diesem Fall wahrscheinlich einen anonymer Killer, der jünger und schneller und mit der Gerissenheit eines besessenen Psychotikers ausgestattet ist.
»Großartig«, bemerkte Hadley, während wir unter dem Tunnel durchgingen. Sie blieb stehen und untersuchte etwas von dem grün-weißen Efeu, das sich von tief hängenden Ästen herabkringelte.
»Dafür haben wir keine Zeit«, sagte ich.
»Warum nicht – hier drin sind wir nicht zu sehen.«
»Sie können das Zeug beim nächsten Mal bewundern«, sagte ich.
»Beim nächsten Mal?«
Sie lächelte, und ich versuchte, ihren Blick zu meiden.
»Kommen Sie, Hadley!«, drängte ich und wandte mich schließlich ab. »Gehen wir.«
Ja,
Weitere Kostenlose Bücher