Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition)
schickte. Als ich aus Rikers rauskam, wusste ich nicht, wer das gewesen war oder wie ich es herausfinden könnte. Ich rief Fallon an, der es auch nicht wusste und mir sagte, ich solle im Büro des Staatsanwalts anrufen, was ich allerdings nicht tat.
Ich kehrte in meine Mietwohnung zurück, wo ich einen Brief vorfand, der offenbar direkt zugestellt worden war und unter der Tür steckte.
Ich öffnete den schweren Umschlag und las die kurze Notiz:
Nick,
Mein Sohn sagt mir, Sie sind ein guter Freund von ihm. Die Zeitungen zeichnen ein düsteres Bild von Ihnen, aber ich glaube stets zuerst meinem Sohn.
Er ist auf Reisen und nicht erreichbar, aber er hat mich gebeten, in seinem Namen Ihre Kaution zu schicken, und das habe ich getan. Sie schulden uns nichts.
Es tut mir sehr leid um Mrs Carteret. Wir haben sie die Jahre über auf Gesellschaften gesehen, und ich muss sagen, sie war unvergesslich.
Viel Glück!
Michael Teak, Sr.
Beim Gedanken an Mike Teak bekam ich einen Kloß in der Kehle. So etwas zu tun! Wie ich gehört hatte, arbeitete er für das Außenministerium. Vielleicht bei der CIA. Wenn sein Vater sagte, er sei unerreichbar, traf das bestimmt zu, und ich konnte bloß dankbar sein und hoffen, dass meinem Freund nichts geschähe.
Ich stopfte den Brief zusammen mit allen meinen Besitztümern in eine Reisetasche, verließ die Mietwohnung und zog zu den Nonnen. Sie hatten Sloane aufgetrieben, der auf dem Weg zurück von Indien war.
Wenige Tage, bevor Sloane aufgebrochen war, hatte ich ihm Julia vorgestellt. Wir hatten uns zu einem Drink im Restaurant des Jachthafens im Central Park getroffen, und ich war mir sicher, dass er in ihr das sah, was ich sah.
Bei Tisch sagte er, dass ich genau überlegen und sehr vorsichtig sein solle. Dann erklärte er Julia, er sei alt genug, mir zu sagen, was ich tun solle, aber ich sei immer noch zu jung, um zuzuhören. Julia sagte ihm, er solle sich keine Sorgen machen, sie sei alt genug, es zu verstehen.
Trotz unseres Gesprächsthemas lachten wir, leerten eine Flasche Wein, und dann brachte ich Julia nach Hause.
Sloane versuchte nicht, mich zu warnen, ich solle mich von ihr fernhalten, weil sie älter war. Oder verheiratet. Oder geschädigt. Er wiederholte, dass ich in einer gefährlichen Lage sei.
Und er hatte recht; ich hörte nicht zu.
Nach Sloanes und Lafcadio Volls Rückkehr von Indien gingen Sloane und ich zu seinem Anwalt, der Partner in einer großen Kanzlei war, die, wie sich herausstellte, geschäftlich mit Carteret zu tun hatte. Wegen dieses Konflikts der Interessen und Selbstinteressen verwies uns der Anwalt an einen wohlbekannten Strafverteidiger einer anderen Kanzlei. Binnen Minuten fing der Bursche von einer Einrede an.
Owen Security wenigstens schickte mir meinen letzten Gehaltsscheck, was ich nie erwartet hätte. Ich gab ihn den Nonnen und blieb weiterhin in meinem alten Zimmer, verschlief den größten Teil des Tages und einen Teil der Nacht.
Das Große Geschworenengericht wurde einberufen, um meinen Fall zu untersuchen, und die Zeitungen wollten keine Ruhe geben. In jenen Tagen fing es gerade an mit dem billigen Skandal-TV, und der Fall gefiel ihnen. Im Herbst legte das Fernsehen immer einen Gang zu – wie die Grippe –, aber im Sommer, insbesondere im August, wenn sonst nichts passiert, war ein gutes Dreiecksverhältnis, das in Mord kulminierte, die perfekte Story.
Sie nannten Julia eine Salonlöwin und sendeten Bilder von ihr in Abendkleidern, als Carteret sie auf Wohltätigkeitsbällen vorgeführt hatte. Die einzigen Bilder, die es von ihr gab. Carteret, der trauernde Gatte, der regelmäßig in den Wirtschaftszeitungen als habgieriges Schwein charakterisiert worden war, das keine Gefangenen machte, war plötzlich der Held des Tages.
Sie gruben ein altes Foto von mir in Boxerhosen aus. Es war ein kleineres Golden Gloves Event. Ich war siebzehn und nie über das Viertelfinale hinausgekommen, was die Berichterstatter nicht daran hinderte, mich als bösartig im Ring zu bezeichnen. Und da ich achtzehn war, als ich wegen Rauschgiftkonsums festgenommen wurde, lagen die Berichte nicht unter Verschluss. Also waren es »der angesehene Geschäftsmann«, die »überwältigende Salonlöwin« und der »Bodyguard,dessen gutes Aussehen den bösartigen, mit Drogen handelnden Kriminellen verbirgt, der er in Wirklichkeit ist«.
Meine Auszeichnung, den Bronze Star, ließen sie immer unerwähnt. Vielleicht glaubten die dämlichen Armleuchter beim Fernsehen, das
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