Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition)

fünfunddreißig Kilometern wurde ich langsamer, und der weiße Pick-up wurde auch langsamer; ich wurde schneller, er wurde schneller; ich wechselte die Spur, und er wechselte die Spur. Dieses Katz-und-Maus-Spiel ging zwanzig Kilometer so weiter, bis der Pick-up neben den Buick zog und versuchte, mich auf die rechte Spur zu drängen. Ich hätte es vermeiden können, wenn der Verkehr nicht langsamer geflossen wäre.
    Ich zog zur Seite und hoffte, der Fahrer, den ich schnitt, konnte schnell genug auf die Bremse treten. Dieser Fahrer trat auf die Bremse, aber der Pick-up blieb an mir dran, so nah, dass ich erkennen konnte, dass sein vorderes Nummernschild fehlte und die Fenster schwarz getönt waren, was man bei Pick-ups nicht häufig sieht.
    Der Buick war einem flotteren Fahrstil nicht gewachsen, also blieb ich auf der rechten Spur, der Pick-up nur wenige Zoll links von mir. Rechts vorn gab es eine schmale Standspur, die bis zu einer etwa meterhohen Leitplanke reichte. Auf deren anderer Seite führte ein steiler, zerklüfteter Felsabhang direkt nach unten. Nicht weit, jedoch weit genug.
    Die Leitplanke endete, wo die Gefahr, über den Abhang zu stürzen, aufhörte, wo die Standspur breiter und von einer großen Wiese flankiert wurde.
    Dort drückte mich der Pick-up von der regennassen Fahrbahn. Ich konnte mich bloß ums Lenkrad kümmern, weil ein Bremsmanöver meinen Wagen beim Rutschen in Drehung versetzt und ich überhaupt keine Kontrolle mehr gehabt hätte. Es schien wesentlich länger zu dauern als die wenigen Sekunden, die es dauerte, bevor ich schließlich schlitternd zum Stehen kam, wobei ich tiefe Reifenabdrücke in dem Gras zurückließ.
    Der weiße Pick-up war gleichfalls stehen geblieben. Er war nicht außer Kontrolle geraten und stellte sich absichtlich quer vor den Buick und versperrte ihm die Weiterfahrt.
    »Runter!«, sagte ich und zog Hadley vom Sitz.
    »Was ist da los?«, fragte sie und kauerte sich auf den Boden.
    »Das will ich rausfinden.« Ich griff über ihren leeren Sitz nach der Beretta, die ich heimlich im Handschuhfach verstaut hatte.
    Ich wartete.
    »Wer ist das?«, fragte Hadley vom Boden aus.
    »Das weiß ich noch nicht«, entgegnete ich. »Bleiben Sie einfach, wo Sie sind.«
    Das getönte Fenster auf der Beifahrerseite des Pick-ups glitt herab. Und ich wartete noch immer.
    Dann schob sich ein bloßer weißer Arsch durch das Fenster.
    »Gottverdammt noch mal!«, sagte ich und riss an meinem Türgriff.
    Der Fahrer des weißen Pick-ups versuchte, den Wagen vom Gras herunterzubekommen. Seine Räder drehten im Schlamm durch, aber er gelangte nirgendwo hin, insbesondere, nachdem ich seine beiden Hinterräder durchschossen hatte.
    Fast augenblicklich glitt das Fenster auf der Fahrerseite ein Stück weit herab, und ich hörte eine Stimme, die vor Angst wie im Stimmbruch kiekste.
    »Nicht schießen!«, kreischte er. »Bitte – es war bloß ein Scherz!«
    Ich warf einen Blick auf den zerbeulten und zerkratzten Buick; Hadley kauerte immer noch am Boden. Offensichtlich war sie immer noch zutiefst erschrocken, und das reichte. Ich ging um die Frontseite des Pick-ups herum und schoss in den linken Vorderreifen – dann in den rechten.
    Noch vor wenigen Minuten hatte ich geglaubt, ich hätte es mit einem die Gestalt wechselnden Killer zu tun, der trotz meiner besten Bemühungen wieder aufgetaucht war. Vermutlich war es besser, wegen ein paar blankärschiger Armleuchter bis auf die Haut durchnässt zu werden. Ich musste die fröhlichen Witzbolde nicht aus dem Wagen holen, weil es mir gleichgültig war, wer sie waren.
    Aber ich wollte vielleicht jemanden verprügeln.
    »Raus aus dem Wagen, verdammt!«, sagte ich.
    Als die drei popperhaft gekleideten Jungs mit erhobenen Händen aus dem Wagen stiegen, hörte ich eine Tür zuschlagen, und dann stand Hadley neben mir im Regen.
    »Okay«, sagte ich. »Was soll das mit diesem verdammten Scherz?«
    Der Junge rechts, derjenige, der uns den Hintern gezeigt haben musste, wollte die Hände herunternehmen.
    »Oh, nein«, sagte ich und richtete die Beretta auf ihn.
    »Was zum Teufel habt ihr da gemacht?«, fragte Hadley die Jungs.
    »Schule fängt in drei Wochen an«, erwiderte Blankarsch, »aber die Verbindungen suchen jetzt Nachwuchs.«
    »Und die Verbindung, in die wir reinwollen«, sagte der Fahrer, »stellt Aufgaben, um zu sehen, ob man das Zeug dazu hat.«
    »Und was ist das?«, fragte ich.
    »Sie wissen schon!«, erwiderte der Fahrer, der Größte von den