Bomann, Corinna - Clockwork Spiders
den Hals zu hetzen. Eine Antwort konnte sie nicht finden. Vielleicht sollte sie ihren Vater fragen, ob es in der Vergangenheit zwischen ihren Familien irgendwelche Streitigkeiten gegeben hatte.
»Lady Adair«, sagte jemand neben ihnen, kurz bevor sie Adair House erreicht hatten.
Violet wirbelte erschrocken herum. Eine Gestalt trat aus dem Schatten. Zunächst sah sie nur einen langen schwarzen Mantel, dann leuchtete eine weiße Strähne unter der Kapuze auf.
Alfred ging sofort in Kampfhaltung, seine Hand fuhr unter sein Jackett.
»Nicht, es ist General Black!«, rief Violet schnell.
Der Mantelträger verbeugte sich galant und zog dann seine Kapuze ein Stück zurück, damit sie sein Gesicht sehen konnte.
»Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen einen Schrecken eingejagt habe. Haben Sie meinen Brief erhalten?«
»Natürlich!« Violets Herz pochte. Und gleichzeitig war sie sauer auf ihn. Wieso fiel es ihm immer dann ein, Kontakt zu ihr zu suchen, wenn sie gerade mit anderen Dingen beschäftigt oder hundemüde war? »Und ich kann Ihnen versichern, dass ich hocherfreut war. Allerdings hatte ich noch nicht die Gelegenheit, Ihnen zu antworten.«
War er deswegen verstimmt? Blacks Miene wirkte hart.
»Nun, das kann ich verstehen nach allem, was man so über mich redet. Ich bin auch nicht hier, weil ich mir eine Antwort von Ihnen abholen will, sondern um Sie zu warnen.«
»Warnen? Wovor?« Violet wurde auf einmal heiß und kalt zugleich, was nicht daran lag, dass der Mann vor ihr auch in einem Lodenmantel unverschämt gut aussah.
»Sie haben sich auf Dinge eingelassen, die vielleicht eine Nummer zu groß für Sie sein könnten.«
»Was für Dinge?«
»Spielen Sie nicht das Unschuldslamm, Lady Violet. Auch wenn Sie glauben, dass niemand etwas von Ihren Aktivitäten mitbekommt, haben doch gewisse Stellen bereits Wind davon bekommen, dass Sie eigene Ermittlungen angestellt haben.«
Lady Sharpe, dachte Violet wütend. Hat sie Kontakt zu Black? Sie wusste nicht, warum, doch plötzlich verspürte sie so etwas wie einen Stich der Eifersucht. Nicht die Tatsache, dass Annabelle Sharpe von ihren Ermittlungen wusste, ärgerte sie, sondern, dass Black zu der höchst attraktiven Spy Mistress Kontakt hatte. Wer weiß, vielleicht war er ja nur ihretwegen auf dem Ball gewesen.
»Sorgen Sie sich nicht um mich, ich komme zurecht.«
»Noch. Aber das könnte sich bald schon ändern. Und damit bringen Sie nicht nur sich, sondern auch Ihre Familie in Gefahr. Die Leute, die hinter den Morden an Broockston und Stanton vermutet werden, sind äußerst gefährlich.«
Plötzlich wirkte sein Blick gehetzt. Sah er irgendwen im Hintergrund? Violet fiel es schwer, sich nicht umzudrehen. War dort eines von Lady Sharpes Augen? Sollte sie nicht erfahren, dass er mit ihr sprach?
»Ich muss gehen. Treffen Sie mich am Abend in Highgate. Da erzähle ich Ihnen mehr. Und gehen Sie um Himmels willen heute nicht mehr auf die Straße.«
Damit schlang er den Mantel fester um die Schultern, wandte sich grußlos ab und verschwand in den Schatten.
Violet stand mit rasendem Herzen auf dem Trottoir. Von einem Beobachter oder Verfolger war nichts zu sehen.
»Was war das, Alfred?«
Der Butler wirkte angespannt, als befürchte er einen Angriff. »Keine Ahnung, Mylady. Entweder hat er den Verstand verloren oder wir sollten seinem Ratschlag folgen. Sie wissen, dass ich kein Hasenfuß bin, aber ich tendiere eindeutig zu Letzterem.«
»Nun, ich hatte ohnehin nicht vor, in den nächsten Stunden einen Ausflug zu unternehmen. Mama wird wie immer Kopfschmerzen haben und Papa auch den heutigen Tag im Bett verbringen, um die Vergiftung auszukurieren. Und was mich angeht, ich habe einiges nachzulesen und zu studieren. Und meine Beweissammlung will ich auch vervollständigen.«
»Das klingt sehr vernünftig, Mylady. Wenn Sie wollen, höre ich mich ein wenig in der Nachbarschaft um.«
»Vielen Dank, Alfred. Und jetzt lassen Sie uns besser reingehen, ehe noch jemand aus einer Nische springt. Ich kann jetzt eine große Mütze Schlaf gebrauchen.«
Nachdem sie beinahe den ganzen Vormittag verschlafen hatte, brütete Violet am Nachmittag über ihrer Beweissammlung. Den ermordeten Wissenschaftler fügte sie ebenso hinzu wie den Angriff der schwarz gekleideten Männer. Dass Black sie angesprochen hatte, deutete darauf hin, dass Lady Sharpe ihre Hände im Spiel hatte. Auch die Angreifer konnte sie geschickt haben. Doch was war mit dem Mordversuch an ihrem Vater und dem Mord an
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