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Bombay Smiles

Bombay Smiles

Titel: Bombay Smiles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Sanllorente
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50-jähriger Mann vor mir und musterte mich ausdruckslos von Kopf bis Fuß.
    »Wohnt Jaume Sir in diesem Haus?«, fragte er mich auf Hindi.
    »Ja, das bin ich«, antwortete ich in seiner Sprache.
    Wieder musterte er mich von oben bis unten, diesmal mit Verachtung:
    »Lassen Sie die Finger von Sachen, die Sie nichts angehen. Und verschwinden Sie wieder in Ihr Land. Wir brauchen Ihre Hilfe nicht. Lassen Sie uns in Ruhe und hören Sie auf, noch mehr Schmutz in unser Viertel zu karren.«
    Bevor ich etwas erwidern konnte, spuckte er mir ins Gesicht, stand aber nach wie vor regungslos vor mir. Ich wischte mir den Speichel aus den Augen und blickte auf meine Hand.
    »Wasser für die Hoffnung«, sagte ich, selbst über mich erstaunt.
    Vielleicht überraschte den Mann meine Reaktion. Jedenfalls drehte er sich auf dem Absatz um und ging weg. Ich schloss die Tür und dachte darüber nach, wie ich diesem Mann helfen konnte, falls ich ihm noch einmal begegnen sollte. Wie konnte ich dazu beitragen, ihn glücklicher zu machen? Sein Verhalten zeigte ja deutlich, dass er es nicht war.

    Angesichts solcher und ähnlicher Beweise der Ablehnung, die mir alleine deshalb entgegengebracht wurden, weil die Anwohner keine Unberührbaren, keine niederen Kasten in ihrem Viertel dulden wollten, nahm ich mir vor, das Herz jener unglücklichen Menschen Stück für Stück zu erobern.
    Es gibt keine Feinde. Ein Feind ist ein Freund, der unserer Hilfe bedarf. Wenn wir ihm helfen können, gewinnen wir zwei Dinge: Es wird einen weiteren glücklichen Menschen auf Erden geben - und einen neuen Freund.

13
    »The Spanish Robin Hood«

    Stärke erwächst nicht aus körperlicher Kraft - vielmehr aus unbeugsamem Willen.
    GANDHI

    Ich lernte immer besser Hindi. Doch die Kinder mussten nach wie vor jedes Mal laut lachen, wenn ich etwas in ihrer Sprache sagte. Und sie ahmten mich nach. Sie lernten aber Spanisch. Und sobald sie auf Spanisch redeten, ahmte ich sie nach. Sie strahlten soviel Glück und Freude aus. 100 Kinder waren es jetzt. Plus 60 aus der näheren Umgebung, die täglich zum Unterricht in die Garagen kamen. Insgesamt also 160 Kinder, denen wir helfen konnten!
    Das Erste, was ich auf Hindi lernte, war der Satz: »Ich komme doch nicht aus Alibag.« Alibag ist ein kleiner Küstenort südlich von Bombay und hat den Ruf, dass die Menschen dort nicht besonders hell im Kopf seien. Ich habe nie herausgefunden, warum das so ist. Es gibt in Alibag einen sehr schönen Strand und die Einwohner machen überhaupt
nicht den Eindruck, als seien sie weniger schlau als andere.
    Dieser Satz, der so viel bedeutet wie »mich kannst du nicht für dumm verkaufen«, war mir bei dem üblichen Gefeilsche in den Läden sehr von Nutzen. Hatte ein indischer Händler nämlich mit einem Weißen zu tun, nahm er an, er könne dessen Geldquellen endlos anzapfen. In meinem Fall zumindest erwies sich die Annahme als Trugschluss.
    Den Kindern gefiel mein Sprüchlein gut. Und als wir die ersten Male in den Bergen von Khandala im Zeltlager waren, musste ich es jedem aufsagen, der mir über den Weg lief.
    Ich lernte Englisch mit indischem Akzent zu sprechen, denn sonst wurde ich einfach nicht verstanden. Glücklicherweise war mein Englisch schon vor der Ankunft hier recht gut, es machte mir also wenig Schwierigkeiten, mich von Anfang an verständlich zu machen.
    Bei einigen der ausländischen Botschaften hatte sich nach und nach herumgesprochen, dass ein Spanier sich um Slum-Kinder kümmerte. Wir wurden öfter angerufen, und es erreichten uns auch einige Einladungen zu geschäftlichen Abendessen, die ich jedes Mal freundlich ablehnte.
    Eines Tages aber rief Nadine, eine Mitarbeiterin der französischen Botschaft an: »Heute Abend findet ein sehr wichtiges Abendessen im Hotel Taj Mahal statt. Ich bin eingeladen. Möchtest du mich
begleiten? Es werden viele einflussreiche Leute da sein. Es könnte wichtig für dich sein, sie kennenzulernen.«
    »Ich besuche keine teuren Restaurants, auch wenn ich eingeladen werde, das weißt du doch. Außerdem habe ich überhaupt keine Lust. Meinst du wirklich, dass es sich lohnen könnte? Würden diese Menschen uns unterstützen wollen?«
    Ohne besondere Überzeugung rief Nadine aus:
    »Aber natürlich!«
    Ich mochte den Menschenschlag nicht besonders, der das Restaurant bevölkerte: Die Leute gehörten zu jener indischen Gesellschaft, in der ich mich sehr unwohl fühlte. Sie waren indiskret, arrogant, eingebildet, obszön und alles in allem sehr

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