Bombay Smiles
entkommen.
Den Angestellten des Waisenhauses, insbesondere den Putzfrauen und Köchinnen, garantierte ich, zusätzlich zu ihrem Gehalt, für die Ausbildungskosten ihrer Kinder aufzukommen. Denn selbst wenn ich ihnen gute Gehälter zahlte, könnten ihre Kinder den Teufelskreis der Armut nur durchbrechen, wenn sie zur Schule gingen und eine Ausbildung erhielten. Ansonsten bliebe die Armut weiterhin das Familienschicksal.
Die einzige öffentliche Schule, die es in Vasai gab, bestand aus vier Lehmwänden, die ein ungefähr zehn Quadratmeter großes Klassenzimmer ergaben. Es existierte auch noch eine Privatschule in der Gegend, aber das Schulgeld war für die vielen Familien, die das Tal bewohnten, viel zu hoch.
Dank einer großzügigen Spende eines amerikanischen Unternehmens konnten wir die Diplomatic School ins Leben rufen. Das große und gleichzeitig schöne Schulgebäude wurde mit soliden Materialien auf einem Grundstück direkt gegenüber dem Waisenhaus errichtet, wo es zuvor weder Wasser noch Strom gegeben hatte. Die Bauingenieure und Architekten jenes amerikanischen Unternehmens überwachten wöchentlich die Bauarbeiten. Denkt man daran, wie langsam die meisten Bauvorhaben in diesem Land vorankommen, hätte unser Schulbau zweifellos einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde verdient.
Kurz vor Ende der Baumaßnahmen suchten wir gruppenweise verschiedene Ortsteile auf und informierten uns dort über die Vorgaben bei der Eröffnung neuer Schulen. Es gab einen offiziellen Schulgeld-Tarif, der auf Richtwerten basierte, doch bei uns zahlte jede Familie nur so viel für ihr Kind, wie sie aufbringen konnte. Ein Schulgeld festzulegen, war sehr wichtig, denn keiner wollte sein Kind auf eine »Armenschule« schicken. Außerdem
machten wir auf diese Weise deutlich, dass Ausbildung etwas Wertvolles ist. Sowohl die Werbung, die wir betrieben, als auch die Plakate, die wir aufhängten, entsprachen dem Vorgehen bei der Gründung einer Eliteschule. Unsere Infrastruktur stand einem hoch qualifizierten Bildungsinstitut in nichts nach. Nur weil die Familien über sehr geringe Einkommen verfügten, verdienten die Kinder noch lange keine drittklassige Ausbildung.
Kleiderspenden sahen wir uns sehr genau an. Wenn darunter allzu kaputte oder schmutzige Kleidungsstücke waren, sorgte ich selbst dafür, dass sie sofort weggeworfen wurden.
Du solltest nur weitergeben, was du deinem eigenen Kind anziehen würdest: Der Begriff »milde Gabe« hat in mir immer eine gewisse Abneigung hervorgerufen. Es klingt so, als ob derjenige, den man da unterstützt, minderwertig sei, weil er eine Art Almosen empfängt. Das Wort »Hilfe« dagegen gründet, so sehe ich das zumindest, eher auf dem Prinzip der Gleichberechtigung, schließlich braucht ein jeder mal Hilfe.
Hilfe unter Gleichberechtigten, das war auch die Haltung, die an der neu gegründeten Schule maßgeblich sein sollte. Die Kinder, die sie besuchten, sollten die gleiche Ausbildung erhalten, wie mein Vater sie sich für mich gewünscht hätte - oder ich für meine eigenen Kinder.
Nach und nach füllte sich die Schule und in den ersten Wochen nahmen bereits fast 500 Kinder am Unterricht teil.
Die Verwaltungsaufgaben aber, die der Schulbetrieb mit sich brachte, gestalteten sich schwierig. Es war enorm kompliziert, die Anmeldungen zu organisieren und die Unterlagen der aufgenommenen Schüler übersichtlich zu archivieren. Die Verwaltung war auch deshalb nicht leicht zu bewältigen, weil ein Großteil des dafür eingestellten Personals noch nie einen Computer benutzt hatte, dazu noch überhaupt nicht gewohnt war, straff, das heißt etwa unter Zeitdruck, zu arbeiten. Trotzdem habe ich es immer vorgezogen, lokale Arbeitskräfte einzustellen und auszubilden, anstatt die Arbeit an ausländische Ehrenamtliche zu delegieren. Ich vertrete die Ansicht, dass die Menschen vor Ort sonst um die Möglichkeit gebracht werden, etwas zu lernen und sich anständig beruflich fortzubilden.
In vielen Fällen funktioniert das Ehrenamt großartig. Doch es gibt Bereiche, in denen es hinderlich sein kann. Von Beginn an wollte ich ganz bewusst die Fähigkeiten der ortsansässigen Arbeitskräfte fördern - und damit ein Samenkorn setzen, das diese Menschen nach und nach in gut qualifizierte, selbstbewusste Berufstätige verwandeln würde.
In dieser Anfangsphase war es außerordentlich hilfreich, dass ich als Journalist auch für das Radio gearbeitet hatte. Dort hatte ich eine Nachricht, sobald
sie nur eintraf,
Weitere Kostenlose Bücher