Bombenbrut
um Stengele nicht mehr sorgen.«
»Vielleicht doch. Was ist mit Markus?«
»Habe ich Ihnen gesagt. Er ist mit dieser Frau Köppke zusammen bei Stengele aufgetaucht und hat mich niedergeschlagen.«
Gunther Schwanke lacht hämisch. »So ein Kerl«, es klingt für Leon fast ein bisschen zu stolz. Er winkt mit seiner rechten Hand Leon verschwörerisch zu sich heran und schaut unsicher zu Ines. »Es war lange vor unserer Zeit«, sagt er in Leons Richtung und deutet dabei auf seine Frau, »aber Verena Kluge, Sie haben sie bereits kennengelernt, die Mutter von Markus, hat mir nach der Beerdigung ihres Mannes angedeutet, dass Matthias nicht der Vater von Markus war. Ich denke, sie wollte mir sagen, dass Markus mein Sohn ist. Das muss er wissen, wenn er jetzt die Patente hinter meinem Rücken mit dieser Frau verscherbeln will.«
Schwanke lehnt sich zurück, lächelt seiner Frau Verständnis heischend zu, greift nach ihrer Hand und versucht sich zu rechtfertigen: »Uns sind Kinder versagt geblieben. Ich habe keinen Erben. Aber wenn Markus mein Sohn ist, werde ich ihm helfen.«
»Warum?«, geifert Ines Schwanke los. »Verena ist eine Schlampe, glaubst du ihr etwa?«
»Liebes, beruhige dich, lass uns später darüber reden, bitte nicht jetzt«, beschwichtigt ihr Mann, »Herr Dold geht sicher bald, ich schlage vor, wir ziehen uns kurz in mein Büro zurück.«
»Warum?«, bleibt sie gereizt.
Diesmal lächelt er Leon zu. »Ich glaube, Herr Dold will verreisen.«
»Warum?«, ist nun Leon überrascht. Er hat sich gerade auf das Schauspiel ›Szenen einer Ehe‹ eingerichtet. »Wohin?«, fragt er verblüfft.
»Tun Sie nicht so, warum sonst sind Sie hier? Was wollen Sie von mir? Sie fliegen nach Ho-Chi-Minh-Stadt!«
Leon ist perplex. Dann schmunzelt er zufrieden. »Und Sie?«
»Am Wochenende ist der Ehrentag des Heiligen Bartholomäus, der Schutzheilige unserer Kirche. Da gehört es sich für alle Pfarrgemeinderäte, dass sie zur Heiligen Messe gehen«, sagt Schwanke mit ernster Stimme, »noch nie habe ich beim Patroziniumsfest in der Kirche gefehlt.« Andächtig fügt er hinzu: »Bei der Prozession halte ich jedes Jahr den Himmel über das Allerheiligste, und das werde ich als guter Christ auch am Sonntag wieder tun.«
Leon könnte prusten vor Lachen, will den sauberen Christen auf die Widersprüche zwischen seinem Handeln und der Bergpredigt von Jesus Christus hinweisen, sieht jedoch das verkniffene Gesicht des Patriarchen und gibt sich mit der Aussicht auf ein Flugticket nach Ho-Chi-Minh-Stadt zufrieden. »Ich weiß allerdings nicht, was ich da ausrichten kann«, zweifelt er am Erfolg seiner Mission.
»Sagen Sie Markus, dass er mein Sohn ist, dann wird er wissen, was er zu tun hat.«
Leon folgt Schwanke in sein Büro. Er fährt seinen Rechner hoch und sucht nach dem nächstbesten Flug. »13.30 Uhr ab Zürich, das reicht gut!«, entscheidet er und bucht Leon online ein Ticket. »Sie haben Glück, die Holzklasse ist nicht mehr verfügbar, ich muss Ihnen leider einen Businessplatz reservieren.«
Leon weiß nicht recht, wie ihm geschieht, aber er begreift, dass er nur so erfahren wird, wer Matthias Kluge auf dem Gewissen hat, den Toten, den ausgerechnet er im See gefunden hat, verdammt, er will wissen, wer ihm die Leiche quasi vor die Kamera gelegt hat.
Er fährt nach Hause, packt einige Sachen zusammen und brettert nach Zürich. Unterwegs ruft er Lena an. Er stottert ein bisschen herum, sucht nach den richtigen Worten, mit denen er ihr schonend beibringen kann, dass ihr gemeinsames Wochenende ausfällt. »Willst du zuerst die gute Nachricht hören oder die schlechte?«, beginnt er mit Gewissensbissen.
»Keine Ausrede«, scherzt die Ahnungslose gut gelaunt, »du mähst den Rasen.«
»Ja, das ist die gute Nachricht«, druckst Leon herum, »die schlechte: nicht an diesem Wochenende!«
Ein leises Tuten macht ihm klar, dass sie aufgelegt hat.
21
Regen prasselt auf die Straßen, Kinder hüpfen barfuß durch die Pfützen, das Wasser des Saigon River ist braun, als wäre es von Lehm gefärbt. Im Juli und August ist im Süden Vietnams Regenzeit, jeden Tag brechen mindestens ein Mal dichte Wolkenbrüche über das Land herein. Trotzdem bleibt es tropisch schwül und heiß.
Björn Otto hat sich an die Wetterkapriolen gewöhnt, ihm sind die feuchtwarmen Lufttemperaturen gleichgültig, die meiste Zeit sitzt er sowieso in steingemauerten, abgeschotteten, klimatisierten Zimmern.
In den modernen Computerräumen seines
Weitere Kostenlose Bücher