Bombenbrut
Name, Adresse, Beruf und Flug von Tokio via Moskau nach Berlin. Doch schon wieder stößt er auf Unverständnis und Misstrauen. Aber was soll er anderes sagen, er weiß doch selbst nichts Genaues.
Der Polizeiwagen fährt mit ihm quer durch den Zehn-Millionen-Moloch Moskau, wobei die Häuserzeilen um sie herum immer ansehnlicher werden. Stengele sieht Büsten von Lenin, immer wieder die russische Flagge und bald schon nobelste Limousinen aus dem Westen. Langsam löst sich die Anspannung in ihm. Schließlich traut er sich zu fragen, wo er denn aufgegriffen worden sei.
»Dort, wo alle Männer wie Sie in Moskau landen, in Arbat, wo die Frauen billig und willig sind«, antwortet der Dolmetscher abfällig.
Stengele muss an die Alte in dem schäbigen Zimmer denken, schweigt aber lieber. Ihm ist klar geworden, dass der russische Geheimdienst ihn aus der Aeroflot–Maschine entführt haben muss. Die freundliche Stewardess, die ihm so entgegenkommend die Bloody Mary serviert hatte, die in der Erinnerung hängen gebliebenen Szenen seines von ihm wohl wahrgenommenen Verhörs unter Freunden, das alles sind genügend Hinweise, die auf den KGB hindeuten. Die Amerikaner hatten ihn am Tag vor seinem Abflug gewarnt: »Vergessen Sie Ihr Teleskop, Sie haben eine der gefährlichsten Strahlenwaffen entwickelt, und nur das interessiert.«
Der Wagen fährt rasant über die breit ausgebauten Zubringerstraßen in die russische Metropole, überquert die Moskwa, fährt über die Kutuzovskiy in die Minskaya und biegt von dort in die Mosfilmovskaya Ulitsa ein.
Herbert Stengele sieht plötzlich eine deutsche Flagge vor dem Wagen im Wind flattern und fühlt sich schon etwas besser.
Einer der Polizisten und der Dolmetscher führen ihn in die deutsche Botschaft, der Verwaltungsweg nimmt seinen Lauf. In einem Wartezimmer werden sie vertröstet, auf dem Tischchen liegen deutsche Zeitungen, Stengele greift sich eine, lacht in sich hinein und denkt: Zu Hause geht das Leben seinen alltäglichen Gang und ich stecke hier im fernen Moskau in solch einer verzwickten Klemme. Doch plötzlich ändert sich seine gerade wieder gewonnene Gesichtsfarbe, die Haut wird blass, dann wird ihm schwindlig, sein Kreislauf sackt immer tiefer ab, noch will er lesen, was da vor ihm in der Zeitung steht, fällt aber schließlich kraftlos vom Stuhl und kippt vornüber auf den Boden.
In seiner linken Hand hält er noch die FAZ mit der Schlagzeile: ›Quarzwerk Frankfurt bis auf die Grundmauern abgebrannt – Brandursache unbekannt – Schaden geht in die Millionenhöhe!‹
9
Gunther Schwanke ist erleichtert. Unter diesen Umständen wird die Rechnung aus Frankfurt auf sich warten lassen. Und überhaupt: Warum sollte er sie denn bezahlen, wenn das Quarzwerk nicht mehr termingerecht liefern kann?
Gerade hat er auf N24, während er auf die Aktienkurse schielte, von dem Brand in Frankfurt erfahren. Der Fernsehsender zeigte Bilder des verwüsteten Werks, da saß kein Stein mehr auf dem anderen. Es muss eine verheerende Explosion gegeben haben. Die Polizei rätselt über die Brandursache, die Experten tappen im Dunkeln.
Schwanke lächelt gequält. Zwar kennt er die Brandstifter nicht, aber dass es die gleichen Herren sind, die auch Matthias Kluge erschossen haben, davon geht er hundertprozentig aus.
Mehr Sorgen bereitet ihm das Eilschreiben, das er heute Morgen empfangen hat. Das Bundeswirtschaftsministerium teilt ihm in zwei Zeilen lapidar mit, dass die Patente betreffs des ZAS-Spiegels, ab sofort als ›sensitiv‹ eingestuft sind und somit der Geheimhaltung unterliegen. Er hatte daraufhin gleich in München angerufen, der Präsident des Patentamtes wunderte sich, was plötzlich los ist. Erst vor drei Tagen seien Vertreter der US-Handelsakademie bei ihm gewesen und hätten sich genau diese Patente vorlegen lassen. Seit zwei Tagen liege auch ihm ein schriftlicher Hinweis des Bundesverteidigungsministeriums zur strengsten Geheimhaltung vor. »Es tut mir leid, da kann ich nichts machen, völlig unüblich, da haben Sie recht«, war die Einlassung des Präsidenten, mehr nicht.
Gunther Schwanke tigert durch sein herrschaftliches Büro in seinem noblen High-Tech-Unternehmen. Er rennt wie ein Marathonläufer im Rund eines Stadions um seinen großen Besprechungstisch. Auf dem See glitzern in der Augustsonne sanfte Wellen im Sommerlicht, die bunten Spinnacker einiger Segelboote sind dank eines leichten Ostwindes kräftig gebläht, die Alpen ruhen hinter dem Mittagsdunst in weiter
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