Bombenbrut
Ferne, doch Schwanke will das alles nicht sehen, verdammt, er muss jetzt verkaufen, sofort! Am besten gestern.
Er geht zu seiner Klimaanlage, 20 Grad zeigt sie an, doch er schwitzt. Er tippt ›18‹ in das Modul und setzt sich tatendurstig hinter seinen Schreibtisch.
Er weiß, der nächste Schritt vom Bundesausfuhramt lässt nicht lange auf sich warten, dann kann er endgültig dieses verfickte Teleskop einpacken. Er muss jetzt schnell alle Adressen von Matthias abarbeiten, der erste potenzielle Kunde, der kaufen will, bekommt den Zuschlag, grad gleichgültig, wer und wo er ist. Zehn Millionen Dollar, und seine Firma wäre vorerst gerettet.
Schwanke sieht keinen anderen Weg mehr, zu lange hat er gewartet. Beherzt greift er zu einem Handy und wählt eine x-beliebige Telefonnummer aus der Liste von Kluge, vermutlich irgendwo in Asien, das erkennt er an der Vorwahl.
Kluge hatte vor seinem Tod öfter diese Nummer gewählt, das ist Schwanke aus den Abrechnungen, die ihm vorliegen, ersichtlich. Es ist eine Handynummer. Wo er mit seinem Anruf landen wird, weiß er nicht genau.
Er drückt mit seinen dicken Fingern auf die kleinen Tasten des Mobiltelefons, wartet gespannt ab, glaubt, die Entfernung in seiner Leitung zu hören, dann ein sanftes Klicken: »Yes, please«, sagt eine Männerstimme unvermittelt irgendwo.
Schwanke antwortet eloquent in englischer Sprache: »Ich bin ein Kompagnon von Matthias Kluge, you know him?«
»Yes, please.«
»Hm, ich führe zurzeit seine Geschäfte weiter.«
»Yes, please«.
»Sie standen mit ihm in Verhandlungen?«
»Yes, please.«
Schwanke stöhnt, es ist ihm noch heißer geworden, aber er muss alles auf eine Karte setzen: »Sie kennen unseren ZAS-Teleskopspiegel?«
»Yes, please.«
»Haben Sie daran Interesse?«
»Yes, please.«
»Dann sollten wir uns baldmöglichst treffen, wir wollen das Geschäft abschließen.«
»Yes, please.«
Schwankes Anspannung legt sich. Er hört zwar ein monotones »Yes, please« nach dem anderen, doch er erkennt auch, wie der ihm unbekannte Gesprächspartner ihn, durch sein »Yes, please«, immer gebannter auffordert, weiterzureden.
Schwanke ist zu lange als Waffenverkäufer über die Kontinente getingelt, als dass er nicht diese Nuancen vernehmen würde. Er hört es und er spürt es, dieser Fisch ist am Köder interessiert. Jetzt muss er mit dem Köder spielen, ihn tanzen lassen, damit vom anderen Ende der Leitung eine Reaktion kommt, mehr als nur dieses verdammte »Yes, please«.
Forsch legt er eine Schippe oben drauf: »Mein Kompagnon hat mir zwei Telefonnummern gegeben, die ich wegen des Spiegels anrufen soll. Jetzt muss ich wissen, wie ernst es Ihnen ist, und wie wir weiter verfahren sollen. Können wir uns treffen?«
Das anschließende »Yes« kommt zögerlich, doch dann schließt sich ihm eine Zusage an: »I call you back«. Damit ist die Leitung unterbrochen – der Mann hat aufgelegt.
Schwanke springt von seinem Schreibtischstuhl auf, greift in seine rechte Hosentasche, holt ein großes, seidenes Taschentusch hervor und fährt sich kreuz und quer über seine verschwitzte Glatze. Dann hält er inne, lächelt, brummelt sein »Heinomol!« und zieht seine letzten verbliebenen grauen Haarsträhnen wieder vorsichtig in Fasson über seine Platte. Der erste Anruf und schon ein Volltreffer, freut er sich, doch er weiß auch, er hat noch eine lange Liste mit vielen Telefonnummern vor sich liegen. Die Reaktion des ersten möglichen Interessenten stimmt ihn hoffnungsfroh. Er will sie nun alle anrufen, und dem Meistbietenden den Zuschlag erteilen. Doch Vorsicht ist geboten. Schwanke versteht den Mann, der die Telefonleitung unterbrach, bevor Näheres beredet wurde. Er selbst hat ihn mit einem Handy angerufen, in das er zuvor eine Prepaidkarte eingelegt hatte. Ihm ist klar, er darf im Telefonnetz keine Spuren hinterlassen, die zu ihm führen, weder für die Polizei noch für die Geheimdienste.
Erst recht nicht, seit der offiziellen amtlichen Mitteilung, dass die Patente des ZAS-Spiegels ab sofort der Geheimhaltung unterliegen. Denn jetzt gilt definitiv, er darf das Know-how seines Spiegels nicht verkaufen. Ein Export ohne Genehmigung des Bundesausfuhramtes widerspricht dem Gesetz. Im Ausfuhramt sitzen Vertreter des Verteidigungsministeriums, und sie haben die gefährliche Zweischneidigkeit der Dual-Use-Erfindung von Herbert Stengele erkannt. So sitzt Schwanke jetzt auf teuren Patenten, die er geradewegs in den See werfen könnte, außer die
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