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Bombenbrut

Bombenbrut

Titel: Bombenbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Schütz
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Immenstaad auf der Terrasse des Hotel Heinzler, direkt am See. Er genießt den typischen Seewein, einen Spätburgunder Rosé trocken aus dem Keller von Manfred Aufricht. Michael Heinzler, der stets gut gelaunte Frontman, setzt sich gerade zu ihm, um mit Leon einen Schluck des Aufricht-Weins zu genießen. Leon schiebt die Gräten seiner Seeforelle zur Seite, will sich gerade entspannt zurücklehnen, um mit Michael anzustoßen, da sieht er plötzlich einen Feuerball über dem See aufsteigen. Ungläubig stiert er zu der Stelle, woraufhin sich auch Michael umdreht.
    »Zaptiloscht«, stößt dieser erstaunt hervor, »was isch denn des? Da hat dein Kameramann ja was zu drehen«, lacht er.
    Simon Class hat es schon zuvor nicht mehr am Tisch ausgehalten. Über dem See hat sich ein meteorologisches Schauspiel angekündigt. Er ist aufgesprungen, hat sich die Kamera geschnappt und ist zum Ufer auf den Steg gegangen. Dort hat er sich positioniert und die rasant aufziehenden dunklen Wolken gedreht, wie sie sich vor die letzten, noch verbliebenen, grellen Sonnenflächen schieben.
    Gerade schien das Wasser hellblau, dann dunkelgrün, jetzt wabert es rabenschwarz, wie in einem überdimensionierten Tintenfass. Starker Wind kommt auf, einzelne Böen jagen über den See zum Ufer.
    Michael Heinzler lässt den guten Aufricht-Tropfen stehen und weist hektisch sein Servicepersonal an, alle freien Tische abzuräumen. Doch so schnell er auch die Anweisungen gibt, noch schneller sind seine Gäste selbst. Sie raffen ihre Gläser und Flaschen zusammen und flüchten schutzsuchend in das Innere des großen Restaurants.
    Kaum haben die Gäste ihre Tische verlassen, hilft der aufkommende Sturm dem Personal, die zurückgelassenen Reste gänzlich vom Tisch zu fegen. Einige Böen reißen die Blumenvasen und selbst Weinflaschen davon, manche Tischdecken nimmt der Sturm gleich mit in Nachbars Garten, noch stärkere Böen werfen die großen Oleanderbüsche auf der Terrasse des Hotels einfach um.
    Leon gibt sich nach außen gelassen. Nur Touristen eilen bei solchen, für den Bodensee typischen, schnell aufkommenden Wetterkapriolen ängstlich in sichere Räume. Wer aber ein echter Seebär sein will, der zeigt nach außen keine Regung, sondern bleibt stoisch ruhig und genießt das Schauspiel.
    Es ist das Wetter der härtesten Surfer, die nun, wie aus dem Nichts, vor dem Heinzler auftauchen, ihre Bretter in den wogenden See werfen, das kleine Sturmsegel setzen und im Neoprenanzug in ihr Abenteuer jagen. Es ist auch das Wetter der Hobbyfotografen, die, mit wassersicheren Kameras ausgerüstet, den See auf ihre Speicherkarten bannen wollen, wie er sich bei Unwetter wild und mächtig wie ein tosendes Meer gebären kann.
    Auch der Stuttgarter Kameramann Simon ist von dem Schauspiel begeistert. Er dreht ununterbrochen immer wieder Großaufnahmen der sich ständig neu bildenden Wolkenformationen am Himmel, dann wieder einige Totalaufnahmen des Sees mit den wechselnden Lichtatmosphären oder die immer größer werdenden aufpeitschenden Wellen.
    Die ersten Aufnahmen zeigen ein noch harmloses, blaues Feriengewässer mit nur leichtem Wellenschlag. Jetzt aber ist der See unheimlich dunkel. Die weißen Schaumkronen stieben wie kleine Schneeberge über die aufgebrachte Wasseroberfläche.
    Doch das Interesse am Wetterschauspiel findet für Leon und Simon ein jähes Ende. Dieser Feuerball, was war das? Die beiden sind wie elektrisiert. Leon läuft schnell zu seinem Kameramann auf den Steg. Er muss seinen Oberkörper weit nach vorn beugen, um gegen die starken Böen anzukommen. Neben Simon stehend, ruft er diesem laut ins Ohr: »Hast du das gesehen?«
    »Ich war direkt drauf, ich habe die ganze Zeit auf das Boot da draußen gehalten, es hatte noch die letzten Sonnenstrahlen mitten auf dem rundum dunklen Wasser. Gigantisch, plötzlich diese Explosion«, brüllt er, von seinen Bildern begeistert, zurück.
    »Explosion?«, schreit Leon, »meinst du, das war eine Explosion?«
    »Ha, was denn sonscht? Wenn ein Schiff vor deinem Objektiv plötzlich – mir nichts, dir nichts – in die Luft fliegt! Das muscht du dir nachher ansehen.«
    »Und was drehst du jetzt da drüben?«, ruft Leon Simon weiter ins Ohr, der, während er mit ihm spricht, immer nur stur durch sein Okular schaut und irgendwo im Westen, im Dunkeln vor dem Kirchberger Hafen, etwas zu suchen scheint.
    »Mann, da war eine kleine Rennjacht, die ist von dem Boot weggefahren, bevor es in die Luft flog. Verdammt, ich

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