Bombenbrut
habe das Ding doch gedreht, wo steckt es jetzt bloß?«
Leon schaut ebenfalls angestrengt in die Richtung, läuft dann los zum Kamerawagen und kommt mit einem extremen Teleobjektiv zurück. »Mach drauf, schnell«, weist er Simon an, »vielleicht finden wir es wieder.«
Simon wechselt das Objektiv, während der Tonmann genervt brüllt: »Das kannst du hier vergessen, was soll ich denn da für einen Ton aufnehmen?« Im gleichen Moment grollt ein kräftiger Donner, ein Blitz zuckt über den See und Leon erkennt in seinem hellen Schein eine kleine Jacht am Horizont, genau vor der Hafeneinfahrt zum Schlosshafen Kirchberg.
»Ich habe das Boot!«, schreit Simon und Leon rennt los. Er überlegt nicht lange, es sind nur wenige Kilometer vom Heinzler in Immenstaad bis zum Jachthafen Kirchberg. Er springt in seinen Wagen und gibt Gas. Er prescht auf die Bundesstraße, ein heftiger Gewitterregen setzt ein, was die meisten Autofahrer dazu bewegt, noch langsamer zu fahren, als es für Leon erträglich ist. Dabei sieht er in seinem niedrigen Porsche vor lauter auffliegender Gischt über der Fahrbahn kaum zu seiner Frontscheibe hinaus. Die Scheibenwischer kommen ihrem Auftrag fast nicht mehr hinterher, doch Leon gibt unbeeindruckt Gas. In der Hoffnung, dass jeder Autofahrer bei diesem Wetter sein Licht anhat, überholt er, wenn er keine hellen Scheinwerferstrahlen entgegenkommen sieht.
Verdammt, plötzlich steht doch ein Auto frontal vor ihm. Auf der rechten Spur schiebt sich ungerührt die Kolonne langsam neben ihm her, links ist nur der Straßenrand, vor ihm dieser verdammte Wagen ohne Licht.
Kurz entschlossen zieht Leon nach links, die Karre rumpelt kräftig, es kracht unter seinem Bodenblech, dann dankt er der starken Radfahrer-Lobby des Allgemeinen Deutschen Fahrradklubs . Er ist auf dem parallel zur Bundesstraße angelegten Bodensee-Radweg gelandet. Der Platzregen hat den Rundweg von Frischluftschnappern freigespült und Leon hat freie Fahrt, ohne Gegenverkehr, bis zum Jachthafen.
Nebenbei sucht er, wann immer es ihm möglich ist, mit seinen Augen den See ab. Irgendwo muss dieses verdammte Boot sein. Er will wissen, wer in dieser Jacht sitzt. Etwa derjenige, der diese Wahnsinns-Explosion ausgelöst hat?
Doch der Regen ist zu dicht, Leons Sicht reicht nicht mal bis zur nächsten Kurve. Zu allem hin beschlagen sich von innen die Scheiben. Er muss das Fenster öffnen, hat das Gebläse voll aufgedreht und wehrt sich in jeder scharfen Rechtskurve gegen das verdammte Grünzeug auf seinem Beifahrersitz, das er noch immer, seit der Rodung der Haselnusssträucher von Helma, in seiner Karre herumfährt. Bei diesem dichten Regen könnte er das Geäst endlich rausschmeißen, kein Mensch würde ihn beachten, aber gerade jetzt hat er wirklich keine Zeit.
Die Zufahrt zur Hafenanlage ist normalerweise durch eine Schranke versperrt. Doch heute steht sie offen. Leon rast hindurch, rollt langsam zu einer Slipanlage, hält an, grollt über den Regen und Sturm, steigt aber trotzdem aus.
Innerhalb kürzester Zeit ist er völlig durchnässt, es ist, als würde man ihn mit Eimern voll Wasser überschütten. Er klettert über eine Absperrung auf den Anlegesteg und geht hinaus auf die Mole, vorbei an dicht gedrängten, teuren und edlen Jachten. Diese tanzen auf den in den Hafen brechenden Wellen, zerren an ihrem Tauwerk wie aufgeregte Hunde an der Leine. Um die Spieren und Wanten pfeift der Wind. Die Fender jammern zwischen den quetschenden Schiffsrümpfen.
Trotz des Regens ist die Luft warm geblieben. Langsam lässt der Niederschlag nach. Die ersten Gewitterwolken verziehen sich, ein leiser Nieselregen setzt ein, dem Sturm scheint die Luft ausgegangen zu sein, die Sicht auf den See wird wieder klar.
Leon schüttelt das Wasser von seinen dunklen Locken. Tropfnass sucht er angestrengt die Wasseroberfläche nach dem Boot ab. Dabei geht er immer weiter auf den Steg hinaus.
Die Wellen beruhigen sich, unschuldig liegt der See vor ihm. Keine Spur von einer Explosion eines Bootes, keine brennenden Teile auf der Wasseroberfläche und erst recht keine Spur von der fliehenden Rennjacht.
Leon will wieder gehen, dreht sich um, da fällt sein Blick auf das herrschaftliche Anwesen von Defensive-Systems.
›Schaffe! Mein Lieber, schaffe!‹, erinnert er sich an Schwankes Kommentar zu dessen Wohlstand und Reichtum. Über die Hintergründe dieser Aussage kann Leon nicht länger philosophieren, denn sein Augenmerk richtet sich auf etwas direkt am Steg des
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