Bombenbrut
Kollegen, die freuen sich vielleicht, mit Ihnen zu telefonieren.«
»Ich will mit Ihnen reden.«
»Vergessen Sie es!«
»Markus Kluge war gestern auf dem Motorboot, das zwischen Uttwil und Immenstaad explodierte.«
»Woher wissen Sie das?«
»Wann treffen wir uns?«
»Ich sagte doch: Melden Sie sich im Kommissariat.«
»Und ich sagte doch: Ich will mit Ihnen reden.«
»Was soll das?«, wird der Kommissar ungehalten, »Sie haben Ihre Aussage offiziell zu machen, das ist Ihre Pflicht, das gilt auch für Journalisten!«
»Und Sie haben jedem Anzeichen und Verdacht, das auf ein Verbrechen hinweist, nachzugehen«, hält Leon dagegen, um dann freundlich einzulenken, »Herr Kommissar, lassen Sie mich kurz mit Ihnen reden, es ist heikel, ich weiß wirklich nicht, wohin ich mich sonst wenden könnte. Ich muss mit Ihnen sprechen.«
»Es tut mir leid, Herr Dold, aber ich habe mir heute einen freien Tag genommen, und Sie wissen, was das heißt.«
»Ja«, schmunzelt Leon, »Sie gehen angeln, wie ich vermute, an der Aach?«
»Ja«, schnauft Sibold laut hörbar. »Was ist mit dem Motorboot, was wissen Sie darüber?«
»Mehr als Sie, wir treffen uns an der Aach?«
»Sie geben wohl keine Ruhe?« Kommissar Horst Sibold zupft unentschlossen an seinem Henriquatre-Bart, der rund um Lippen und Doppelkinn wild und grau wuchert. Dieser Journalist lässt sich nicht abwimmeln, das kennt er schon von ihm. Er gibt sich geschlagen und stimmt unwillig zu: »Zwischen Moos und Bohlingen, am Ende des Moosfelds.«
»Kenn ich, Petri Heil!«, macht Leon schnell einen Knoten auf das Gespräch und nimmt die Auskunft als freundliche Einladung zu einem gemeinsamen Angelnachmittag an.
Sein Kamerateam überlässt er sich selbst. Sie haben noch genügend Repros zu drehen, anschließend können sie den sommerlichen Nachmittag am See genießen. Morgen stehen einige Überstunden auf dem Drehplan, da wird das Dornier Museum eröffnet, und Leon will die Familie Dornier, die Erben und möglichst viele alte Mitarbeiter zu ihrer Zeit mit dem alten Claude befragen. Auch mit Gunther Schwanke hat er sich dort verabredet, damit seine Spanien-Geschichte optisch einen passenden Hintergrund findet.
Er verabschiedet sich von seinem Team und reiht sich mal wieder in die wohl nie enden wollende Blechschlange auf der Schwäbischen Barockstraße von Friedrichshafen nach Überlingen ein. Dabei braucht es Geduld, nur stockend fließt der Verkehr. Eine zweite Parallelstraße entlang des Sees bräuchte es längst, doch Seeanwohner, Anlieger des Hinterlands, Verkehrsplaner und Bürgerinitiativen streiten seit 30 Jahren.
Leon mimt den Coolen, lehnt sich in seinen Ledersitz zurück, öffnet das Schiebedach und legt ›So what?‹ von Miles Davis in seinen CD-Player ein. Er genießt den herrlichen Sommertag, die immer wieder freie Sicht auf den blauen See, die bunten Segel der Boote und die Ruhe, die das Wasser ausstrahlt.
Nur das Gestrüpp auf dem Beifahrersitz stört ihn langsam mächtig. Die Blätter der Haselnussstöcke welken schon längst und beginnen penetrant zu riechen. Leon kämpft die ganzen Sommermonate hindurch mit einem leichten Heuschnupfen, plötzlich hat er das Gefühl, das Geäst kitzelt ihn direkt in seiner Nase. Das Grünzeug muss jetzt raus!, entschließt er sich, spätestens im Moosgebiet bei der Aach wird er sich der Haselnusssträucher entledigen.
Trotz des gestrigen Gewitters steht das Quecksilber des Thermometers kurz nach 12 Uhr mittags schon wieder über 35 Grad. Jeder vernünftige Seeanwohner springt an solchen Tagen ins Wasser. Nur dieser Herr Kommissar, der muss angeln gehen, wundert sich Leon einmal mehr über den seltsamen Kauz in Staatsdiensten und biegt kurz entschlossen bei der Birnau links ab.
Er lässt die alte Barockkirche rechts liegen und fährt direkt zum Ufer hinunter. Dort liegt das Hotel Seehalde direkt am Wasser, ein alter Steg für die Gäste lädt zum Baden ein. Die Besucher des Hauses sitzen auf der idyllischen Terrasse, Leon aber geht an dem offiziellen Eingang vorbei und schiebt sich durch eine Nebentür in die Küche.
Markus Gruler, der Chef der jungen Küchenbrigade, zählt zu den kreativsten Köchen am Bodensee. Er steht am Herd und brutzelt gerade die Leber einer Trüsche.
»Mach mir mal schnell einen Happen, was Erfrischendes, nur einen kleinen Imbiss«, klopft ihm Leon auf die Schulter, »ich habe es eilig, muss aber dringend etwas essen und zuvor in den See springen.«
»Schau mal deinen Bauch an, du
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