Bombenbrut
bekommst heute einen Kopfsalat, mehr nicht!« Der Koch zwinkert Leon zu, lacht ironisch und verspricht hinterhältig: »Das passt schon, das ist was für dich.«
Leon nickt irritiert. Er wiegt 85 Kilo, misst aber fast 1,90 Meter. Doch jetzt streicht er sich unsicher über seinen kleinen Bauchansatz und denkt trotzig: Soll er doch servieren, was er will, von mir aus auch einen Kopfsalat, vielleicht ist es für meine Figur tatsächlich besser. »Mach, was du willst«, ergibt er sich, »ich spring derweil in den See.« Er weiß, er nutzt ein besonderes Privileg, der Steg ist normalerweise nur für Hausgäste, dafür muss er sich den Spott des Kochs eben gefallen lassen.
Er zieht seine Klamotten aus, springt ins Wasser, schwimmt fast bis zur Mitte des Sees. Um den See an solch heißen Tagen genießen zu können, braucht es keine edle Segeljacht oder gar ein teures Motorboot, denkt Leon. Einfach in das große, natürliche Seebecken springen, den Kopf untertauchen und das erfrischende Wasser genießen! Langsam krault er wieder an den Steg der ›Seehalde‹ zurück.
Thomas Gruler, der Bruder des Kochs, hat ihm ein Schattenplätzchen auf der Terrasse reserviert und eine Flasche selbst ausgebauten Müller-Thurgau auf den Tisch gestellt. Leon nimmt einen ersten, kräftigen Schluck aus dem Glas und ist schon verführt. Leon kann nicht widerstehen und gönnt sich noch zwei weitere Tropfen.
»Na also, wenigstens einen guten Wein«, lacht Thomas, »wenn mein Bruder dich schon mit einem Kopfsalat abspeist. Voilà.« Dabei stellt er eine Platte auf den Tisch, die zwar am Rande tatsächlich mit einigen Kopfsalatherzen drapiert ist, in der Mitte aber mit duftenden Fleischteilen lockt.
»Hm, warum Kopfsalat?«, rätselt Leon, »ein Vegetarier wäre enttäuscht.«
»Ist aber ein reiner Kopfsalat!«, beharrt Thomas auf die Ankündigung seines Bruders und zählt ihm auf: »Im Uhrzeigersinn: geräuchertes Schweinsbäckle, Lammzüngle, Ochsenmaul und Hahnenkamm. Ein wahrer Kopfsalat, oder?«
»Ihr habt mich überzeugt«, freut sich Leon auf die kreative Salatvariation, »so bin ich auch gerne mal Vegetarier.«
»Ich sähe bei einem Daueraufenthalt bei uns andere Gefahren auf dich zukommen«, grinst Thomas und schenkt Leon aus dem Krug den Rest des Müller-Thurgau in sein Glas, »ich hätt’ noch ein Fläschchen.«
»Eben«, winkt Leon ab, »ich glaube, ich sollte nun erstmal für eine Grundlage sorgen.«
Dankbar, dass Lena ihn an den Bodensee gelockt hat, genießt er sein Essen, den See und den Blick hinüber zum Bodanrück und auf die Insel Mainau und gönnt sich noch ein zweites Viertele. Anschließend döst er ein paar Minuten auf dem Steg, erfrischt sich nochmals kurz im See und fährt dann ohne Stress, aber ein kleines bisschen benebelt, wie ein richtiger Sommerfrischler, um den Überlinger See nach Radolfzell, um von dort aus über Moos nach Bohlingen zu kommen.
Den Weg ins Moosfeld findet er leicht. Er biegt in einen Feldweg ein, sehr vorsichtig, damit das Unterblech seines Porsches nicht aufsitzt. Es dauert nicht lange, dann sieht er den giftgrünen Opel Omega des Kommissars in dem Sumpfgebiet stehen. Die Farbe des Wagens fand er schon grässlich, als er vor einem Jahr den Kommissar kennenlernte. Damals hat er sich vor dem hässlichen Grün seines Autos auch noch fotografieren lassen, nachdem er einen Flüchtigen damit gestellt hatte.
Leon lässt seinen Blick am Flussufer entlang schweifen und entdeckt bald den Kommissar mit einer Rute in der Hand nahezu regungslos am Ufer in der Sonne stehen. Gekleidet ist er wie ein heruntergekommener Landstreicher. Er trägt einen verbeulten, grünen Jägerhut auf dem Kopf, eine ärmellose grüne Weste über seinem viel zu engen, grünen Unterhemd und eine alte olivgrüne Hose aus der Zeit seines Dienstantritts bei der Bereitschaftspolizei. Die Hose hält ein straff gezogener Gürtel, darüber quillt sein dicker Bauch, sein Blick ist stur auf die vor ihm träge dahinplätschernde Aach gerichtet.
Auf dem Wasser blinkt der rote Schwimmer seiner Angelrute, den er mit stoischer Ruhe immer wieder gegen die Fließrichtung zieht.
»Guten Tag, Herr Kommissar«, schleicht sich Leon an den Beamten in seiner Freizeitkluft heran, »ein bisschen heiß für Ihren Sport heute, oder nicht?«
»Fische fressen immer, Sie doch ebenso, auch wenn die Sonne scheint«, knurrt er unwirsch.
»Ich dachte, die beißen lieber, wenn es regnet?«
»Ich angle nicht nur, damit ich Fische fange, ich angle,
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