Bombenbrut
tiefer ins Gesicht zieht. Er ruft ihm nochmals ein aufmunterndes »Petri Heil!« zu und verschwindet.
Das Gebiet im Moos der Höri, zwischen der Gemeinde Moos und Bohlingen, ist eine wunderschöne Naturlandschaft. Die Hegauer Aach schlängelt sich in ihrem natürlichen Bett durch das Feuchtgebiet, für die Bauern sind die Wiesen als Äcker nicht zu gebrauchen, die schweren Landmaschinen würden in dem Moosboden versinken. Es gibt nur Schafsweiden, Grünwiesen und mannshohe Sträucher, so weit das Auge reicht. Leon stoppt seinen Porsche noch auf dem Feldweg, stellt den Motor ab, steigt aus, schaut sich verstohlen um, öffnet die Beifahrertür und versteckt all das Grünzeug aus dem Garten seiner Vermieterin hinter einem der grünen Sträucher. Alles organisch, rechtfertigt er sein ungesetzliches Handeln und gibt schnell Gas.
Endlich fühlt er sich wieder als Herr seines Fahrzeugs. Er öffnet die Beifahrerscheibe, lässt den Wind die letzten vertrockneten Blätter aus seinem Wageninneren treiben und fährt die nächste Tankstelle an. Dort wirft er 50 Cent in den Staubsaugerautomaten, investiert nochmals fünf Euro für eine Rundumwäsche und fühlt sich danach richtig sauber, als hätte er selbst geduscht.
Zufrieden rollt er nach Hause. Die stechende Hitze des Tages ist vorbei, er freut sich auf den Feierabend. Helma fällt ihm plötzlich ein und er versucht, sich selbst zu motivieren: Sport tut gut!
Längst hat er aus seinem Pflichtrasenmähen um Helmas Villa eine Kür gemacht. 45 Minuten ist seine Bestzeit, dabei achtet er sorgsam auf seine Kräuterbeete und vor allem auf Helmas Blumenbeete. Er fährt hart an der Kante der Beete entlang, immer bewusst nur mit Gebläse Richtung Grün, damit kein Grashalm auf die Beete geblasen wird. Auch unter den Büschen muss ordentlich gemäht werden und vor allem die Außenkante, zur Straße, am Zaun entlang.
»Da musch b’sonders ufpasse«, ermahnt ihn Helma gern, »dass koine Sonnäwirbel zur Frau Pfeifle bloscht.« Denn an Helmas leicht verwildertem Garten grenzt ein Feinschnitt der Familie Pfeifle in wohl exakt berechneter Millimeterlänge, vermutlich wurde er streng nach den Regeln des Rasentennisturniers in London angelegt.
Leon stellt seine Karre in den Carport, verscheucht Eber - hardt II., den Kater, den er Helma vor einem Jahr geschenkt hat, nachdem ihr erster Eberhardt unter für sie ungeklärten Umständen verschwunden war. Helma hatte den Wechsel von Eberhardt I. zu Eberhardt II. kaum wahrgenommen. Leon hatte darauf geachtet, dass die Viecher sich möglichst ähnlich sahen und fand damals auch einen richtigen, schwarzen Kater mit markantem, weißem Schnurrbart, der aber eben längst nicht so einen dicken Körper hatte wie ihr Eberhardt I. Doch Helma war nur kurz irritiert, schien sich allerdings schnell vorgenommen zu haben, das Tier so gut zu füttern, dass der Kater erstaunlich schnell ebenso dick geworden war wie sein Vorgänger.
Ein Grund mehr, dass er den Kater jetzt aus dem Carport verjagt: »Bewegung tut dir gut«, droht er ihm und murmelt noch leiser den wahren Grund in seinen nicht vorhandenen Bart: »Und setz dich nicht wieder auf mein Heilixblechle, ich komm gerade aus der Waschstraße!«
Vor der Haustür liegt Senta gemütlich im Schatten, sie riecht offensichtlich Leons Vorhaben und springt freudig an ihm hoch. Er versucht, den Hund abzuwimmeln, geht kurz in seine Wohnung, kommt in einer Sporthose wieder heraus und marschiert mit Senta zwischen den Beinen zum Schopf hinter dem Haus. Er zieht den Rasenmäher hervor und Senta bellt aufgeregt und laut, als wolle sie sagen: Wusst ich’s doch!
Für Senta heißt Rasenmähen 45 Minuten Bewegungstherapie, immer Leon hinterher. Ihr erkannter Vorteil gegenüber jedem anderen Auslauf ist: Wenn sie keine Lust mehr hat, legt sie sich einfach hin, sie muss ja nicht mehr zurücklaufen.
Leon wirft den Mäher an und spurtet los. Zunächst macht er die große Runde um das Grundstück, immer am äußeren Zaun entlang, danach den steilen Hang hoch zu den Haselnusssträuchern und zum Schluss die Feinarbeiten um die Beete.
Aber schon nach kurzer Zeit steht ihm Helma im Weg und stoppt ihn, sie schreit ihn an: »Leon, spinnst du? Der arme Hund. Sentalein, komm zu mir, ja, komm, es ist doch viel zu heiß für dich!«
»Für den Hund ist es zu heiß, aber ich soll Rasen mähen?«
»Du spürst ja wohl, wenn du nicht mehr kannst, aber der arme Hund, der läuft dir doch nach, bis er umfällt.«
Leon denkt an seine 45
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