Bombenbrut
Wieder hat er die Bilder seines toten Vaters vor seinen Augen und die Kontoauszüge seiner Mutter. Wenn er diesen Deal nicht schafft, steht er mit leeren Händen da. Aus dieser Position heraus führt man keine Verhandlungen, das ist ihm klar, aber wie soll er seine missliche Lage ändern? Was weiß dieser Mistkerl noch? Was haben ihm Stocks oder Iris alles verraten?
Iris Köppke spürt Markus’ Zaudern und Unbehagen. Sie steht auf, nimmt ihn bei der Hand und bittet Björn Otto: »Lassen Sie uns ein paar Minuten allein.« Gleichzeitig schiebt sie Markus vor die Bürotür.
»Was weiß der Arsch über mich, was hast du ihm erzählt?«, fährt Markus sie ungehalten an.
Sie lächelt nachsichtig. »Mein Lieber, glaubst du etwa, ich habe ihm die Polizeifotos von deinem ermordeten Vater gegeben? Die Konten deiner Eltern ausgespäht? Oder denkst du, er nennt Stocks wie einen alten Bekannten, weil er den Namen gerade von mir erfahren hat?«
Markus schaut Iris unsicher an.
»Schau mal, Liebster, wie dieser Mann hier residiert. Der braucht weder mich noch Stocks. Er verfügt über ganz andere Mittel und Wege, um an Informationen zu gelangen. Meinst du, die Chinesen schicken einen Anfänger los, wenn sie eine so entscheidende Waffe auf dem Weltmarkt einkaufen wollen?« Dabei nimmt sie Markus sachte in ihre Arme, drückt ihn wie eine Mutter an ihre Brust, streichelt seinen Nacken und haucht ihm ins Ohr: »Ich will dich!«
Dann lächelt sie ihn an, schaut ihm in die Augen, küsst ihn auf die Nase und sagt: »Du willst die Patente verkaufen, du! Mir ist das gleichgültig, ich habe nichts davon. Du musst wissen, was du willst. Und du solltest aus meiner Sicht Herbert Stengele mit ins Boot nehmen. Nur so kannst du souverän verhandeln. Der Mann will zunächst die Patente, um sie – an wen auch immer – weiterzuleiten; und zweitens verkaufst du ihm zusätzlich das Fertigungs-Know-how, damit du länger im Geschäft bleibst und so noch mehr kassieren kannst.«
»Ich weiß doch gar nicht, ob ich Herbert dazu überreden kann, in dieses Geschäft einzusteigen.«
»Wo ist der Unterschied für euch, ob Iran oder China?«
»Onkel Gunther«, überlegt Markus. »Zuerst hat er gezögert. Erst als dieser Stocks versprach, die Sache in Berlin zu klären, hat er dem Iran-Geschäft zugestimmt. Ich weiß nicht, wie er sich dem neuen Angebot gegenüber verhalten wird.«
»Onkel Gunther«, lacht Iris zynisch, »Herr Stocks. Was denkst denn du, was diese sauberen Herren wollen? Geld, sage ich dir, nichts als Geld!«
»Wir doch auch«, gibt sich Markus kleinlaut geschlagen.
»Eben«, lacht Iris, »deshalb werdet ihr euch ganz schnell einig sein, wenn Björn Otto einen handfesten Verkaufserfolg in Aussicht stellt. Wo ist das Problem, ob ihr an die Chinesen oder die Iraner verkauft?«
»Wir brauchen für die Chinesen keinen Stocks«, erkennt Markus, »Waffen an die Chinesen zu liefern, ist in einem Joint Venture leichter als in den Iran. Iran steht für die Amerikaner nun mal auf der Embargoliste.«
»Bingo!«, freut sich Iris und nimmt Markus wieder in ihre Arme, »du bist der Größte, es wird dein Verkaufscoup!«
Markus lächelt schüchtern, sieht Iris verlegen an und schmiegt sich an sie. Ängstlich wagt er dennoch zu fragen: »Er hat aber nicht meinen Vater auf dem Gewissen?«
»Nein!«, sagt Iris bestimmt und hält die linke Hand zum Schwur in die Luft, obgleich sie sich da nicht wirklich ganz sicher ist. »Nein«, wiederholt sie dennoch nochmals mit fester Stimme und erinnert sich selbst daran, dass Björn Otto nach dem Mord gerätselt hat, wer noch alles an den Patenten interessiert sein könnte.
»Ich bin froh, wenn wir uns bald handelseinig werden. Ich brauche einfach das Geld, um meine Mutter von unseren Schulden zu befreien«, gesteht Markus Kluge mit starrem Blick aus einem Seitenfenster des Fliegers, »aber dann steig ich aus, aus diesem miesen Geschäft. Das ist nicht meine Welt!«
18
Herbert Stengele redet sich frei. Er erzählt seine ganze Lebensgeschichte. Dieser Journalist hört geduldig zu, stellt hin und wieder eine Verständnisfrage. Endlich kann Herbert sich auskotzen, endlich kann er von seinem Verhältnis zu Matthias Kluge und Gunther Schwanke berichten, von wegen Freundschaft, das Tagesgeschäft und der ewige Streit um das Geld hatte ihre kameradschaftlichen Bande längst gesprengt: »Matthias ging es nur noch um den schnellen und möglichst hohen Abschluss, gleichgültig, was er verkaufte. Und Gunther hatte
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