Bombenspiel
wen wunderte das, wenn er seit über zwei Jahren in Südafrika auf einer der großen Stadionbaustellen für die Fußball-WM arbeitete und sie in Deutschland ihr Studium abschließen musste?
Doch Linda hatte Karin Anfang des Jahres ermutigt, über Weihnachten nach Südafrika zu fliegen und ihm einen Besuch abzustatten. Jetzt war Henning überraschend für ein paar Tage in Deutschland, wollte sich in Hamburg mit seinen Architekten treffen und in drei Tagen wieder nach Johannesburg zurückfliegen, um bei der Eröffnung der WM dabei zu sein. Irgendetwas war ihm so wichtig erschienen, dass er Linda ins Vertrauen ziehen und sich mit ihr hier mitten in der Nacht treffen wollte.
›Mercedes-Benz-Arena um Mitternacht.‹ Das war seine Ansage am Telefon gewesen. Ein kurzes, ein knappes Telefonat, bei dem er es sehr eilig gehabt hatte. Und zuvor diese SMS. Linda zog das Handy aus der Anoraktasche und klickte auf die gespeicherten Nachrichten im Posteingang.
Hennings Nachricht war ihr kryptisch und doch wichtig erschienen: Linda! Habe Komplott entdeckt. Es geht um alles! Kann nichts beweisen. Der Weg in den Himmel birgt den Tod. Muss mit dir reden, nur mit dir. Sofort, sonst zu spät. Morgen 24 Uhr. Ich ruf dich noch an. Henning.
Wieder und wieder hatte sie diese Zeilen gelesen, bis er sie schließlich angerufen hatte. ›Ich kann dir das nicht am Telefon erklären‹, hatte er gesagt, ›die Sache ist wirklich zu heiß. Können wir uns treffen, ich meine, du und ich?‹ Linda hatte zugestimmt, obwohl ihr Zeit und Ort sehr geheimnisvoll erschienen. ›Alles Weitere direkt. Mercedes-Benz-Arena um Mitternacht.‹
Auch jetzt überflog sie die wenigen Zeilen, während sie die letzten Meter zum vereinbarten Treffpunkt zurücklegte. Ihre Schritte knirschten auf dem Asphalt und sie blieb stehen. Noch ein Blick auf ihr Handy. Sie wurde nicht schlau daraus. Welches Komplott meinte er? Er klang aufgeregt. Wichtig. Aber warum ging er dann nicht einfach zur Polizei? Welche Rolle spielte sie dabei? Die Buchstaben tanzten schwarz vor dem leuchtenden Display.
Der Weg in den Himmel birgt den Tod.
Als sie das Wort Tod las, hörte sie wieder Schritte, und plötzlich krachte ein Schuss. Geistesgegenwärtig warf sie sich zu Boden und verlor dabei ihr Handy. Sie registrierte die eiligen Schritte, die sich in Richtung Untertürkheimer Kurve entfernten, hörte Sekunden später einen anspringenden Motor, sah die Rücklichter, die sich zum Kreisverkehr am Mercedes-Benz-Museum entfernten.
Dann war es totenstill.
Am selben Tag, Olifants Goud, Mpumalanga, Südafrika
Dr. med. Fred Goldbäck traf am frühen Morgen auf der Farm am Rande des Krüger Nationalparks ein. Der passionierte Jäger hatte Wert darauf gelegt, die wenigen Tage bis zu seinem Einsatz in Durban nicht in irgendeinem Stadthotel zu verbringen. Da er auf dem besten Wege war, ein reicher Mann zu werden, konnte er sich den Aufenthalt in einer Wildlife-Lodge leisten und hatte sich auf Empfehlung eines Kollegen für Olifants Goud entschieden.
Die Farm lag wildromantisch in einem breiten Tal, direkt an einem Wasserloch, an dem man von der schattigen Veranda aus Tiere beobachten konnte. Goldbäck sah durch das Fernglas, wie sich zwei Oryxantilopen dem Teich näherten und ein paar Diademmeerkatzen verscheuchten, die zu den prächtigsten Affen Südafrikas gehören.
Drüben, in den Felsen der Kopjes, die den von der Veranda aus einsehbaren Bereich der Farm nach Süden begrenzten, stand noch immer ein Steinbock mit goldenem Fell im Schein der untergehenden Sonne. Markant ragte der alte Baobab jenseits des Wasserlochs in den Abendhimmel, nahezu 20 Meter hoch, der Stamm ungeheuer dick, mit einer Kette von zehn Mann kaum zu umfassen, die Äste fast wie Luftwurzeln, knorrig und krumm, ein Baumgigant, von dem man glauben konnte, er sei mit dem Wurzelwerk nach oben in die Erde gepflanzt worden. Weitere Meerkatzen trieben sich dort herum, auf der Suche nach seinen Früchten, die dem Baobab auch den Namen Affenbrotbaum gegeben hatten.
Auf der Seerosendecke, die das Wasserloch bedeckte, balancierten kastanienbraune Rallen mit leuchtend blauer Stirn, am flachen sandigen Ufer grasten Nilgänse und Höckerenten, und hoch oben in den Gerippen der alten kahlen Bäume hatten es sich einige Silberreiher und ein Hammerkopfstorch bequem gemacht.
Es war ein paradiesischer Friede, der sich mit Einbruch der Dämmerung hier allabendlich über die Landschaft legte. Dann begann die afrikanische
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