Bombenspiel
Buschsinfonie: Aus dem Pianissimo heraus hob in feinem Dolce das Zirpen der Zikaden an, steigerte sich schrill und erhielt bald Unterstützung vom krächzenden Geigenpizzicato der Grillen, vom leichten Klarinettentriller der Glockenfrösche aus dem Wasserloch, dem gurgelnden Tremolo eines unbekannten Nachtvogels, dem grunzenden Ostinato aus dem nur wenige Kilometer entfernten Hippo-Pool und dem Trompeten der Elefanten, die unten am Fluss eine Gelbfieberakazie zerlegt hatten.
Olifants Goud, das klang verlockend nach Elfenbein, doch der deutsche Arzt hatte enttäuscht feststellen müssen, dass die Jagd hier kein Thema mehr war, seit die Farm mit Jeff van Rossen einen neuen Besitzer hatte.
Das Geschäft mit den nicht jagenden Touristen lief gut und die Nähe zum Krügerpark hatte sich als großer Vorteil erwiesen, erzählte ihm Ulla van Rossen, die Frau des Besitzers. Olifants Goud war quasi Teil des großen Transfrontier-Parks, der den Tieren Wanderungen bis nach Mozambique und über den Limpopo nach Zimbabwe ermöglichte.
Während der WM war die Farm bis auf das letzte Bett ausgebucht und so fuhr Dr. Goldbäck, eingepfercht zwischen anderen Gästen, mit einem weißen Guide am Steuer des offenen Geländewagens auf Game Drive, wie sie das hier nannten. Eine Tour früh morgens, eine am späten Nachmittag, auf den holprigen, quer durch das Farmgelände angelegten Pisten von Wasserloch zu Wasserloch, um hier eine Handvoll Zebras, dort fünf Giraffen, und schließlich sogar zwei Breitmaulnashörner zu fotografieren.
Alan Scott, Fahrer und Guide auf Olifants Goud, kam aus Kenya, so viel hatte Goldbäck herausgefunden. Und dieser Scott war neugierig. Zu neugierig für Goldbäcks Geschmack. Hatte ihn schon bei ihrer ersten Begegnung nach seinem Doktortitel gefragt, und woher genau aus Deutschland er komme.
Er sei Arzt, hatte Goldbäck kurz angebunden geantwortet.
›Das sei gut zu wissen‹, hatte Scott entgegnet und sich dann wieder um die anderen Gäste gekümmert, vornehmlich um die weiblichen.
Goldbäck fühlte sich unwohl auf Olifants Goud. Er fieberte seinem Einsatz entgegen. Wann kam endlich der Anruf, auf den er so ungeduldig wartete? Wann konnte er von hier verschwinden und seinen Auftrag erledigen?
Er kannte mittlerweile jedes Wasserloch, wusste, dass die beiden Breitmaulnashörner die einzigen auf dem Gelände waren und fast handzahm; wusste, dass die vom Aussterben bedrohten Weißschwanzgnus Teil eines südafrikanischen Zuchtprogramms waren und dass die Leoparden auf der Farm mit Funkhalsbändern kontrolliert wurden.
Und dann kam es bei der Early-Morning-Safari zu einem Zwischenfall, der seinen Puls zum Rasen brachte.
Tübingen – Stuttgart
Wann war sie nach Hause gekommen? 4 Uhr?
Die Vernehmung im Einsatzfahrzeug der Stuttgarter Kriminalpolizei hatte lange gedauert. Sie hatte sich in Widersprüche verwickelt. Jens hatte ihr geholfen, Kommissar Jens Bosch. Ohne ihn säße sie jetzt in Untersuchungshaft. Verdächtigt des Mordes an Henning Fries.
Sie schloss die Augen. Die schrecklichen Ereignisse der vergangenen Nacht holten sie ein. Der Mord vor der Mercedes-Benz-Arena in Stuttgart-Bad Cannstatt um Mitternacht.
Henning Fries war sofort tot gewesen. Kopfschuss.
Das solle sie für sich behalten, darum hatte Bosch sie gebeten. Aus ermittlungstaktischen Gründen.
Musste ein guter Schütze gewesen sein, bei den diffusen Lichtverhältnissen. Oder er hatte aus nächster Nähe gefeuert. Während Henning auf sie gewartet hatte. Der Täter war an ihr vorbei geflohen, hatte sich aus dem Staub gemacht und sie war bei der Leiche von Henning zurückgeblieben. Hatte die Polizei verständigt. Und sich verdächtig gemacht. Schließlich war sie mit Henning befreundet gewesen. Vor Urzeiten.
Mein Gott, dachte sie, wenn das Alan gewesen wäre! Sie verspürte das Verlangen, ihn sofort anzurufen. Ihn zu fragen, wie es ihm ging. Doch ihr Handy lag in Stuttgart bei der Kripo. Und seine Nummer war dort eingespeichert. Sie dachte an das Gespräch mit Jens Bosch. Hielt der Kommissar sie für die Mörderin von Henning Fries?
Es gab keine Zeugen für ihre Version der Tat. Sie hatte Hennings Handy gefunden und war auf diese ungelesene Mitteilung eines Unbekannten gestoßen. Hoffnung = Sub Africa. Oel.
Sie war ihrer Intuition gefolgt, hatte sich den Inhalt und die Nummer dieser SMS ebenfalls notiert, eine Botschaft als Antwort für den Unbekannten in das Handy gehackt, sie verschickt und anschließend beides gelöscht.
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