Bombenspiel
Dann hatte sie Hennings Handy in diese große Mülltonne neben dem Imbiss geworfen. Scheiß Idee!
Die Polizei hatte nicht nur ihr Handy beschlagnahmt, sondern auch Hennings Handy in der Mülltonne gefunden. Im Sendebericht würden sie auf die Nachrichten stoßen. Zwar nicht die Inhalte, aber Zeitpunkte und Adressaten der letzten Mitteilungen wurden dort angezeigt. Kommissar Bosch würde sie in die Mangel nehmen.
Sie schälte sich aus dem Bett und taumelte zu dem Stuhl, auf den sie in der Nacht ihre Klamotten geworfen hatte.
Wo war Sarah? Ah, richtig, sie hatte bei einer Freundin übernachten dürfen.
Linda suchte ihre Klamotten zusammen. Die Polizei hatte auch ihre Umhängetasche behalten, ihre Hosentaschen durchsucht, jedoch den Notizzettel, auf den sie die Botschaft gekritzelt und den sie in ihrer Bluse versenkt hatte, nicht gefunden.
Ihre Finger durchwühlten den Klamottenberg. Jeans, Büstenhalter, Unterhemd, Socken, Bluse, Jacke. Ein wildes Durcheinander. Und mittendrin der Zettel mit Hennings Botschaft aus seiner SMS. Warum hatte sie es der Polizei verschwiegen? Würde es nicht ihre Unschuld beweisen? Henning hatte ein Komplott entdeckt. Doch er hatte sein Geheimnis mit in den Tod genommen, mit ausgestreckten Armen und Beinen auf dem Rücken liegend und seine Augen ausdruckslos zum Himmel starrend.
Linda Roloff stand nur kurz unter der heißen Dusche und überhörte im Geräusch des Föns das erste Klingeln an der Wohnungstür. Erst als das Klopfen zu einem lauten Pochen anschwoll, wurde sie aufmerksam und eilte, nur in ein weißes Frotteehandtuch gehüllt, zur Tür. Durch den Spion erkannte sie Jens Bosch, den adretten Kommissar, flankiert von einer Kollegin in Zivil und zwei Beamten der Bereitschaftspolizei.
Sie hängte die Kette aus und öffnete.
»Guten Morgen«, grüßte Jens in offiziellem Ton und jede Vertraulichkeit in seiner Stimme war wie weggeblasen. Sie spürte die Kälte, die ihr entgegenschlug und wusste sofort, dass sie ein Problem hatte. Kommissar Bosch verlor keine Zeit und forderte sie mit eisiger Stimme auf, sich anzuziehen und mitzukommen.
Ob sie verhaftet sei, wollte sie wissen.
Der Kommissar nickte. Es tue ihm leid, aber sie stehe unter Mordverdacht.
Am selben Tag, Rob Roy Hotel, Botha’s Hills, KwaZulu-Natal
Die beiden Männer, die soeben eine Kleinigkeit gefrühstückt hatten, senkten ihre Stimmen zu einem Flüstern. Sie hatten das Hotel 50 Kilometer außerhalb von Durban als Treffpunkt gewählt, weil sie sicher sein konnten, hier nicht belauscht zu werden. Außerdem wollte Paul Dhlomo weiter in die Drakensberge, nachdem seine Arbeit in Durban so gut wie beendet war.
»Welche Rolle spielt Kalkoen wirklich?«, geiferte uThembani Mthetwa und fasste sein Gegenüber scharf ins Auge. »Habt ihr jemals seine Identität überprüft?«
Paul sah an ihm vorbei, als suche er die Antwort in der Ferne. Der Ausblick auf die majestätische Landschaft des ›Tals der Tausend Hügel‹ wurde durch dichten Nebel getrübt. Das Rob Roy Hotel lag verträumt wie ein schottisches Gruselschloss hoch über dem Tal und auch das Interieur atmete noch die Luft der Burenzeit, alte schwere Holzmöbel, schottisch gemusterte Karovorhänge, abblätternde Tapeten und eine gut sortierte Whiskybar zählten dazu.
Im Restaurant des Hotels mit fast düsterem Ambiente und einer rostigen Ritterrüstung aus dem alten Europa an der Wand fragte eine dicke Zulufrau nach den Wünschen der Gäste, während im Pub ein gestylter Barkeeper im schwarz-weißen Sakko, der ein letzter lebender Sprössling des alten Rob Roy zu sein schien, Gin Tonic mit Eis mixte. An den Nachmittagen konnten sich die Hotelgäste im benachbarten, für die Touristen nachgebauten Zuludorf eine Tanzvorstellung ansehen oder in der Ladenzeile im Garten des Hotels afrikanische Schnitzereien und Safarihüte erstehen.
Im wabernden Nebel versteckten sich die echten kleinen Krals und Dörfer der Umgebung, und nur ab und zu, wenn eine Wolke aus einem der Täler herauszog, konnten die beiden Männer einen kurzen Blick auf die Hütten oder einen Rad fahrenden Zulu erhaschen.
»Das war nicht nötig«, antwortete Paul Dhlomo jetzt, »Kalkoen war auf unserer Seite, solange ich denken kann. Er war im Untergrund, auch nach Abschaffung der Apartheid. Vorher hat er mit dem ANC sympathisiert, ging sogar ins Gefängnis dafür.«
»Ein Weißer, der auf unserer Seite war?«, zweifelte Mthetwa.
»Ja. Er hatte eine Freundin, eine Zulu. Sie haben sie
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