Bombenspiel
hoffte Karin, als ob sie ihre Gedanken erraten hätte.
»Warum nicht?«
Sie waren schließlich beide aus demselben Grund nach Südafrika gekommen. Um den Mörder von Henning Fries zu finden.
Donnerstag, 10. Juni 2010, Gauteng, Südafrika - Noch wenige Stunden bis zum Beginn der Fußballweltmeisterschaft
Er fühlte sich wohl in diesem Hotel. Es lag zwar außerhalb des Stadtzentrums von Pretoria, jedoch waren der Mannschaft Unternehmungen auf eigene Faust ohnehin untersagt worden. Hier am Ufer des Hennops River gab es einen eigens für die WM erbauten Trainingsplatz mit Flutlicht, und Doc Fox konnte von der Terrasse seiner Suite aus die Hagedaschs, graugrün schimmernde Ibisse, die so hießen, weil sie nervend ständig ›haha-dah‹ riefen, durch den parkähnlichen Garten stolzieren sehen.
Das Hotel selbst hatte etwas Ehrwürdiges, Viktorianisches mit seiner Sandsteinfassade und den verspielten Säulen, Torbögen und Zinnen. Die Eleganz wurde im Inneren fortgesetzt, Komfort stand an erster Stelle, gepaart mit verspielter Romantik und stilvollem Ambiente. Jogi Löw hatte trotz früher Dunkelheit noch einmal ein Lauftraining angesetzt, um die Anpassung der Mannschaft an die Witterungsbedingungen im winterlichen Südafrika zu gewährleisten.
Danach war Doc Fox früh zu Bett gegangen, die Tage waren anstrengend und kalt und er hatte das warme Bad genossen. Die Unruhe, die die Mannschaft jetzt unmittelbar vor dem ersten Spiel plagte, war auch auf ihn übergegangen, das lange Warten hatte ein Ende und das war auch gut so.
Er las noch ein wenig in Mandelas ›Der lange Weg zur Freiheit‹, dann machte er das Licht aus und lauschte dem leisen Zirpen der Zikaden, das durch die leicht geöffnete Terrassentür zu ihm hereindrang. Er war es gewohnt, zu Hause bei offenem Fenster zu schlafen und auch hier in diesem Hotel fühlte er sich sicher genug, um wenigstens in den ersten Stunden der Nacht die Terrassentür noch offenstehen zu lassen. Die Enge in seiner Brust war seit Tagen wie weggeblasen.
Ein leises Kratzen ließ ihn aus seinem noch leichten Schlaf aufschrecken. Es klang wie das Schleifen von Sandpapier über trockenem Holz. Oder Fingernägel auf Glas? Das Geräusch kam von der Tür. Doc Fox lauschte. Wieder kratzte es. Dreimal. Rhythmisch. Dann wieder Pause. Sah er einen Schatten, draußen vor der Tür? Ohne Licht zu machen, schlich er ans Fenster und spähte hinaus.
Die romantische Außenbeleuchtung des Hotels hob die Silhouetten der Bäume gegen den dunklen Abendhimmel ab, reichte aber nicht aus, seine Terrasse anzustrahlen. Draußen war alles ruhig, kein Mensch zu sehen. Kopfschüttelnd ging er wieder in Richtung Bett, als ihn das Zischen herumfahren ließ. Nein, kein Zischen, es war ein jähzorniges Fauchen, das er so noch nie gehört hatte. Er suchte an der Wand nach dem Lichtschalter, kurz darauf erstrahlte der Raum in hellem Licht und er blieb wie angewurzelt stehen.
Die Puffotter stieß dieses Geräusch nur aus, wenn sie sich aufs Äußerste bedroht fühlte. Gerade eben erst war sie diesem warmen dunklen Gefängnis entkommen und auf einen kalten, glatten Boden geschleudert worden, ihre Zunge hatte ein Gemisch aus Düften und Gerüchen ertastet, das ihr Angst machte. Ihre Pupillen hatten sich geöffnet und sie hatte den großen schwarzen Umriss wahrgenommen, der sich unbeholfen in der ungewohnten Umgebung bewegte. Sie hatte sich zusammengeringelt und ihr Fauchen hören lassen, doch die schwarze Bedrohung war trotzdem zögernd näher gekommen.
Der erste Mannschaftsarzt der deutschen Nationalmannschaft sah die Schlange zustoßen, spürte den Schmerz wie von zwei stechenden Nägeln, die sich in seine linke Wade bohrten, gleichzeitig durchfuhr ihn ein Hitzestoß, der ihn fast zu Boden riss. Sein linker Fuß schien plötzlich zu glühen, das Blut zu kochen. Wie ein Blitzschlag durchzuckte ihn der Gedanke: Er war von der Schlange gebissen worden!
Schlagartig fühlte er wieder diesen Druck auf seinem Brustkorb und während er sich schwer atmend auf das Bett setzte und mit brüchiger Stimme seinem Teamkollegen am Handy zu erklären versuchte, was passiert war, glitt die Puffotter durch die offene Terrassentür hinaus in die Nacht, in die Freiheit.
Durban
An jenem Abend brauchte Linda lange, um einzuschlafen. Zu viel ging ihr durch den Kopf. Die Begegnung mit dem Inder am Stadion. Ihr Verdacht, dass der Skywalk Ziel eines Anschlags sein könnte. Das unerwartete Zusammentreffen mit Karin.
Kaum war
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