Bombenspiel
menschenleeren Strand von Camps Bay und die blaue Weite des Atlantiks. Karin war an der Gartenmauer entlanggelaufen und hatte versucht, einen Blick durch eines der vergitterten Fenster zu erhaschen.
»Unten vom Strand aus kommt man auch nicht in den Garten«, berichtete sie, als ein SAPS-Wagen vor ihnen hielt, ein fettwanstiger Uniformierter ausstieg und auf den Hauseingang Merheims zuschritt. Karin und Linda beobachteten, wie er die Tür öffnete und das Haus betrat. Er schien ihren neugierigen Blick gespürt zu haben, denn er blieb stehen und wandte sich um: »Kann ich Ihnen helfen?«
»Vielleicht«, erwiderte Karin zögernd und kam zusammen mit Linda näher. »Wir suchen Leonard Merheim, aber er scheint nicht zu Hause zu sein. Und als Sie kamen, haben wir uns gewundert, weshalb die Polizei einen Schlüssel zu seinem Haus hat.«
Der Uniformierte kratzte sich am Kopf und suchte nach den richtigen Worten. »Sehen Sie, das ist so«, erklärte er schließlich, »Mister Merheim kann gar nicht zu Hause sein, denn er ist … gestorben.«
»Er ist tot?«, hakte Karin ungläubig nach. »Oh, mein Gott!«
»Und nachdem Sie hier sind, ist er wohl keines natürlichen Todes gestorben?«, fügte Linda hinzu.
Der dicke Polizist schüttelte den Kopf. »Man hat ihn erschossen. Ihn und seine Frau. Echt übel. Es sah wie eine Hinrichtung aus.«
Karin und Linda starrten sich betroffen an.
»Wann war das?« Lindas Stimme zitterte.
»Knapp eine Woche her. Darf ich fragen, in welchem Verhältnis Sie zu dem Toten standen?« Der Polizist stellte sich als Constabler John Chuene vor. Die beiden Frauen nannten ihre Namen und Karin antwortete: »Leonard Merheim war ein Kollege meines Freundes.«
»Verstehe. Und was wollten Sie von ihm?«
Karin wollte gerade antworten und ihm von der Ermordung Hennings berichten, als Linda ihr ins Wort fiel. »Wir sind dringend auf der Suche nach einer Telefonnummer. Mister Merheim hätte da Bescheid gewusst.« Karin sah sie stirnrunzelnd an, da sie mit Lindas Worten nichts anzufangen wusste, doch Linda zwinkerte ihr bedeutungsvoll zu.
»Eine Telefonnummer?«
»Ja.« Linda machte eine Pause und beobachtete den Polizisten. Er schien nicht einer der Schnellsten zu sein und schon gar nicht gewohnt, allein Entscheidungen zu treffen.
»Ob es wohl möglich wäre, einen Blick in das Haus zu werfen?«, versuchte sie vorsichtig. »Vielleicht finden wir die Nummer irgendwo an einer Pinnwand oder so?«
Constabler Chuene zögerte, dann meinte er: »Wenn Sie mir keine Schwierigkeiten machen, lasse ich Sie kurz herein. Aber nichts berühren oder verändern, Sie wissen schon!«
Linda nickte und Karin flüsterte: »Was soll das? Was für ein Theater machst du dem denn vor? Und von welcher Telefonnummer sprichst du?«
»Pst!«, machte Linda, »ich erklär dir alles später.«
Der Constabler führte sie in den Flur, wo ein kleines Telefontischchen stand. In der Ladestation steckte ein dunkelblaues Telefon, daneben lag ein Handy, fast dasselbe, das Linda hatte. Chuene beobachtete sie, wie sie die Notizen an der Pinnwand überflog und ihre Augen über die Visitenkarten huschten. Ihr Blick blieb an den drei Buchstaben haften, die auf einigen der Nachrichten standen.
»Hallo Leo … Nachricht für Leo … Leos Lieblingswein«, überflog sie murmelnd die Nachrichten.
Nur beiläufig hatte sie Merheims Vornamen Leonard registriert. Doch genannt wurde er offensichtlich Leo.
Die drei Buchstaben tanzten vor ihren Augen. L – E – O. Hüpften. Veränderten ihre Position. Leo – Elo – Ole – Oel.
»Und – ist die Telefonnummer dabei?«, wollte Chuene neugierig wissen.
Oel!
»Bitte?« Linda schreckte auf. »Sieht nicht so aus«, murmelte sie geistesgegenwärtig. »Haben Sie was dagegen, wenn ich noch das Telefonverzeichnis in seinem Handy durchblättere?«
»Hm. Meinetwegen«, brummte der Constabler. »Aber Sie werden nichts finden. Die Jungs haben da auch schon gesucht. Ich muss im ersten Stock nach einem Ordner sehen. Für die Ermittlungen. Bin gleich wieder da.« Linda hörte, wie der übergewichtige Polizist keuchend die Wendeltreppe in den ersten Stock erklomm. Rasch griff sie nach Merheims Handy. Die Tasten waren nicht gesperrt. Sie öffnete das Mitteilungsprotokoll. Nichts. Offensichtlich hatte Merheim alles gelöscht. Klar, sonst hätte die Polizei das Handy sichergestellt.
»Was suchst du eigentlich?«
»Gleich! Pass lieber auf und sag mir, wenn der Dicke zurückkommt!«
Hoffnung = Sub Africa.
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