Bombenspiel
fünf Tische entfernt, Karin Fleischer, die Freundin Hennings. Was um Himmels willen machte sie in Südafrika?
Linda beschloss, es herauszufinden, stand auf und ging auf den Tisch zu. Nachdem sie sich begrüßt hatten, erfuhr sie, dass Karin wie sie am Tag nach Hennings Ermordung nach Südafrika geflogen war, allerdings nach East-London und von dort aus nach Durban. Zu seiner Beerdigung wollte sie wieder zurück sein, doch wegen der Obduktion der Leiche war damit nicht vor Ende nächster Woche zu rechnen.
»Als sie mir sagten, dass man ihn ermordet hat, habe ich sofort den Flug gebucht«, erzählte sie und ihre Stimme war zu einem Flüstern gesenkt. »Sein Tod muss mit diesem verdammten Job in Südafrika zu tun haben.«
Linda zuckte zusammen. Ihre Gedanken vor wenigen Minuten!
»Wie kommst du darauf?«
»Er hat mir so komische Sachen erzählt. Wollte nach Hamburg, total frustriert, weil sie statische Änderungen genehmigt haben, die er so nie geplant hatte. Irgendein Typ aus Dubai hatte sich durchgesetzt und Henning war so durcheinander!«
»Hat er dir von einem Verdacht erzählt, den er hatte?«
»Nein, das nicht. Er meinte nur: Da stimmt was nicht. Mehr hat er mir nicht gesagt.«
»Hat er irgendwelche Namen genannt?«
Karin schüttelte den Kopf. »Ich weiß nur aus seinen Mails, mit wem er hier zusammengearbeitet hat. Ich weiß nicht, wem ich vertrauen kann. Ein guter Freund von Henning war ein Kollege namens Merheim, ebenfalls Bauingenieur, der in Kapstadt wohnt.«
»Was ist mit seinen Vorgesetzten?«
»Sein Chef hat mir am Telefon kondoliert und das war’s. Der Stellvertreter war nicht zu erreichen. Ich bin derzeit etwas ratlos. Wenn ich diesen Merheim in Kapstadt nicht treffe, weiß ich auch nicht …«
»Hast du ihn angerufen?«
»Es ging keiner ran. Aber ich flieg trotzdem hin. Ich muss es wissen. Er ist meine letzte Chance.«
»Sonst hast du keine Anhaltspunkte?«
»Doch, warte«, sie kramte in ihrer Tasche nach einem Infoblatt über das Stadion von Durban und las zwei Namen vor, die sie dort notiert hatte: »Der Sicherheitsingenieur heißt uThembani Mthetwa. Henning hat mal geschrieben, dass er ihm diesen Job nie gegeben hätte. Und dann ist da noch ein Ingenieur namens Paul Dhlomo.«
»Paul Dhlomo?«, runzelte Linda die Stirn. War das nicht der Name, den ihr der Inder genannt hatte? Der Mann, an den sie sich wenden solle, um mehr über Hennings Arbeit herauszufinden. »Und was ist mit diesen beiden?«
»Nichts. Ich habe keine Adressen oder Telefonnummern und beim Stadion habe ich niemanden angetroffen.«
»Warte mal!«, sagte Linda, »ich hab da vielleicht eine Idee.«
Sie suchte in ihrer Tasche die Nummer, die ihr der Inder aufgeschrieben hatte, griff zu ihrem Handy und wählte. Doch zu ihrer Enttäuschung stieß sie nur auf die Nachricht, dass die Person momentan nicht erreichbar sei.
»Wen hast du angerufen?«, wollte Karin wissen.
»Diesen Paul Dhlomo.«
»Woher hast du seine Nummer?«
Linda berichtete kurz von ihrem Zusammentreffen mit dem Inder. »Wir versuchen es später noch einmal. Irgendwie müssen wir auch so weiterkommen!«
»Du bist also auch wegen Henning hier?«
Linda erzählte ihr, was sie für nötig hielt. Nicht alles, immerhin so viel, dass Karin Bescheid wusste. Sie erwähnte nicht, dass sie die Zeugin war, als er erschossen wurde und verschwieg auch, dass sie selbst verdächtigt wurde, und sich der Verhaftung durch ihre Flucht nach Südafrika entzogen hatte.
Karin hatte ruhig zugehört. Für eine Frau, deren Freund eben erst erschossen worden war, machte sie einen äußerst gefassten Eindruck. Doch Linda wusste, dass das täuschte. Der Mensch war in solchen Extremsituationen fähig, sämtliche Emotionen zu kontrollieren und sie ahnte, dass Karin in dem Augenblick zusammenbrechen würde, wo sie aufhörte, nach dem Grund für Hennings Ermordung zu suchen. Alles, was sie momentan tat, lenkte sie von der Realität und von ihrer Trauer ab. Falls sie je dahinter kam, wer Henning erschossen hatte, würde sie danach in ein Loch fallen, aus dem sie ohne fremde Hilfe nicht mehr herausfinden würde.
»Und was hast du als Nächstes vor?«, fragte Linda schließlich.
»Ich will morgen nach Kapstadt, Merheim aufsuchen.«
»Findest du nicht, dass es ziemlich gefährlich ist, dich so allein auf die Suche zu machen?«, meinte Linda und dachte bei ihren Worten daran, dass sie im Begriff war, sich derselben Gefahr auszusetzen.
»Hättest du keine Lust, mich zu begleiten?«,
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