Bombenspiel
sie in dem kleinen Privatzimmer, das noch für zwei Nächte frei gewesen war, in einen unruhigen Dämmerzustand gefallen, riss sie der nervige Klingelton ihres neuen Handys aus dem Schlaf. Sie schleppte sich zu dem kleinen Tisch, auf dem ihr Handy am Ladegerät hing und drückte auf die grüne Taste. »Hallo?« Ihre Stimme klang müde, kühl und unfreundlich.
»Linda? Sprichst du noch mit mir?«
Alan! Sie hörte seine Stimme, hatte sich allerdings vorgenommen, nicht über ihre Beziehung mit ihm zu sprechen. Sie überging daher seine Frage und antwortete in nüchternem Ton: »Danke, dass du zurückrufst. Ich brauche deine Hilfe. Ein Freund von mir ist ermordet worden. Er hat in Südafrika auf einer Stadionbaustelle gearbeitet. Hast du eine Minute Zeit?«
Die Stimme am anderen Ende schwieg. Alan hatte sich offensichtlich eine andere Begrüßung erhofft. Schon befürchtete Linda, er könne aufgelegt haben, als sie hörte: »Klar, worum geht’s?«
Jetzt störte sie sein sachlicher Tonfall, doch sie fuhr fort: »Was könnte hinter dieser Botschaft stecken – warte …«, sie suchte nach der Notiz und las vor, » Hoffnung = Sub Africa. Kannst du damit etwas anfangen?«
Alan zögerte. »Hoffnung Südafrika?«, wiederholte er schließlich.
»Nein. Sub Africa . Oder kann das ein Schreibfehler sein?«
»Nein. ›Sub Africa‹ ist eine junge Untergrundbewegung in Südafrika, die für ziemlich viel Unruhe sorgt. Manche sprechen sogar von einem Terrornetzwerk.«
»Und was kann das bedeuten: Hoffnung gleich Sub Africa?«
»Keine Ahnung. Von wem stammt das?«
»Eine Botschaft, die der Ermordete kurz vor seinem Tod erhielt.«
»Kann er denn selbst etwas mit ›Sub Africa‹ zu tun gehabt haben?«
»Das glaube ich nicht. Ich habe das Gefühl, dass er einer Schweinerei auf die Spur gekommen ist. Könnte es sein, dass diese Organisation einen Anschlag während der WM geplant hat?«
»Ich weiß es nicht. Die ganze Sache klingt jedenfalls ziemlich dubios. Warst du schon bei der Polizei?«
»Nein.« Sie zögerte. »Ich habe ein Problem, Alan. Die glauben in Deutschland, dass ich diesen Mann umgebracht habe. Und ich habe Angst, wenn ich jetzt hier zur Polizei gehe …«
»Du bist in Südafrika!«, unterbrach Alan. »Meinetwegen?« In seiner Stimme schien etwas Hoffnung mitzuschwingen.
»Nein, Alan. Nicht wegen dir«, erwiderte sie eine Spur zu hart. »Ich bin in Durban. Weil der Ermordete hier gearbeitet hat.«
»Durban? Dorthin reist einer unserer Gäste morgen. Zu einem WM-Spiel. Muss einer der Mannschaftsärzte bei den Deutschen sein. Fred Goldbäck, sagt dir der Name was?«
»Goldbäck?« Sie überlegte, ob sie den Namen schon einmal gehört hatte. »Wieso? Was ist mit ihm?«
»Komischer Typ. Hab ein paar Game Drives mit ihm hier auf Olifants Goud gemacht. Glaube, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Er tut sehr geheimnisvoll. Schleppt irgendwelche Ampullen mit sich herum, die aus einer abgefackelten Klinik in Zentralafrika stammen. Die haben dort mit biologischen Waffen experimentiert. Sorry, Linda, wahrscheinlich geht die Fantasie mit mir durch, aber ich dachte, wenn ich schon mit dir …«
Linda unterbrach ihn: »Kein Problem, Alan, das klingt wirklich sehr merkwürdig. Ich ruf morgen Babs an, die kann ja mal recherchieren. Über einen Mannschaftsarzt beim DFB muss etwas herauszubekommen sein. Ich fliege nach Kapstadt. Da lebt ein Kollege des Ermordeten. Mit ihm will ich noch reden.«
»Linda?« Alans Stimme klang besorgt.
»Ja?«
»Pass bitte auf dich auf.«
»Ja, sicher.«
»Du hast jetzt meine Handynummer wieder.«
Sie wartete.
»Rufst du mich an?«
»Mhm.« Sie wagte noch nicht, aufzulegen und spürte, wie ihr Herz schlug.
Schließlich fragte er: »Wenn du mich brauchst …«
Die Leitung knisterte und sie war sich nicht sicher, ob er sie noch hörte, als sie flüsterte: »Ich brauche dich immer.«
»Ich liebe dich«, hauchte er.
»Ich weiß«, sagte sie. Dann legte sie auf.
Sie schlief unruhig in dieser Nacht und schreckte hoch, als sie glaubte, vor ihrem Zimmer Geräusche zu hören. Sie war froh, als die Rufe der Halbmondtaube den Morgen ankündigten.
Freitag, 11. Juni 2010, Camps Bay, Kapstadt - Beginn der Fußballweltmeisterschaft
Die Stadt war im Fußballfieber. Am Abend spielte im African-Renaissance-Stadion Uruguay gegen Frankreich.
Die beiden Frauen hatten Pech. Niemand öffnete auf ihr Klingeln.
»Hier müsste man wohnen«, seufzte Linda und genoss den Blick hinunter auf den
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