Bombenspiel
Oel .
War Leo der unbekannte Absender?
Das Handy half ihr jedenfalls nicht weiter. Schade.
Wäre ja auch zu einfach gewesen, dachte Linda. Die Nachricht auf Hennings Handy stammte von einem unbekannten Absender, erinnerte sie sich. Es war eher unwahrscheinlich, dass Henning Merheims Nummer nicht abgespeichert hatte.
Sollte also ihre Vermutung stimmen und Leo Merheim tatsächlich die mit Oel signierte Nachricht an Henning verfasst haben, musste er sie von einem anderen Handy aus abgeschickt haben. Oder dieses hatte eine zweite Pin-Nummer, um geschäftliche und private Anrufe zu trennen. Sie selbst genoss diesen Komfort auf ihrem Handy.
Linda lauschte. Der Dicke rumorte im oberen Stockwerk.
Auf der Rückseite des Handys prangte ein vierstelliger Zahlencode. Die Pin-Nummer? Linda tippte die 6223 ein. Dazu die 02, wie bei ihrem Handy, wenn sie auf die private Karte umstellte. Fehlermeldung.
Verflixter Mist!
Zweiter Versuch.
Dreimal war möglich. Sie schaltete blitzschnell. Leo hatte die Buchstaben seines Namens von hinten nach vorn geschrieben. Dann vielleicht auch die PIN? Lindas Daumen tippte 322602. ›Successful‹, bestätigte das Display.
Die Mitteilungen tauchten auf. Linda wählte die letzte der gesendeten. Ein kurzer Text erschien: Hoffnung = Sub Africa. Oel. Volltreffer!
»Er kommt!«, flüsterte Karin.
Linda ließ das Handy in ihre Hosentasche gleiten. Sie fragte sich, ob die südafrikanische Polizei bei Überprüfung des Handys auf die zweite PIN und somit auf diese Meldung gestoßen war. Nun war sie sich jedoch sicher, dass Henning Fries und Leo Merheim aus demselben Grund ermordet worden waren.
Die beiden Frauen bedankten sich bei Constabler John Chuene für seine freundliche Unterstützung und ließen sich seine Karte geben. Linda beförderte ihn zu seinem Stolz gar zum Inspector, als sie sich verabschiedete. Im Anschluss gingen sie zwischen den Häusern hindurch an den Strand und setzten sich auf einen der runden, von Wind und Wellen glatt geschliffenen Steine in die Sonne.
»Kannst du mir jetzt sagen, was das sollte?«, bohrte Karin ungeduldig. »Wir erfahren, dass dieser Leonard Merheim und seine Frau ebenfalls ermordet wurden, und du suchst seelenruhig nach einer Telefonnummer?«
»Ja«, erklärte Linda, »und ich könnte wetten, dass sie vom selben Täter getötet wurden wie Henning.«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Ich hab dir doch erzählt, dass mich Henning dringend sprechen wollte.« Karin nickte und Linda fuhr fort. »Henning hat eine geheimnisvolle SMS aus Südafrika erhalten. Signiert mit den Buchstaben O – E – L. Ich konnte damit nichts anfangen, bis ich eben festgestellt habe, dass sich Leonard Merheim auch Leo nannte. Er war es, der Henning diese SMS geschickt hat! Merheim und Henning sind irgendeiner Sache auf den Grund gekommen, die mit dem Stadion in Durban zu tun hat, da bin ich mir sicher! Ich habe das beschissene Gefühl …« Linda unterbrach, denn im selben Augenblick vibrierte ihr Handy. Eine Nummer aus Südafrika blinkte auf dem Display.
»Hallo?«, sagte sie, wie immer, wenn sie den Anrufer nicht kannte.
»Sie haben bei mir angerufen!«, behauptete eine männliche Stimme.
Linda runzelte die Stirn. Der Typ, von dem der Inder gesprochen hatte!
»Helfen Sie mir«, bat sie dennoch, »ich bin mir nicht sicher, wer Sie sind.«
»Ein Freund von Henning Fries«, antwortete die Stimme. »Können wir uns treffen?«
»Wo?« Lindas Stimme zitterte.
»In den Drakensbergen.«
Nördlich von Durban, so viel wusste sie. »Wann?«
»Ich habe ein paar Tage ein Chalet im Lower Tendele Camp. Ich erwarte Sie.«
»Und noch mal – wer sind Sie?«
»Paul Dhlomo, ein Kollege von Henning und ein Freund«, verriet er und legte auf.
Samstag, 12. Juni 2010, Durban - Der Tag vor dem Spiel
Der weiße Mann stand auf der Terrasse seiner Villa und ließ seinen Blick über die Weite des Indischen Ozeans gleiten. Die weiß getünchte, von Glasscherben bedeckte Mauer, und das grüne Stahltor, das die Einfahrt des gepflegten Grundstücks zur Außenwelt abriegelte, ließen ihm sein Haus wie einen Käfig, sein Heim wie ein Gefängnis erscheinen und der Anblick bohrte sich wie Dornen in seine Augen.
Der Gin Tonic im schmalen Longdrinkglas, von einer Limettenscheibe verziert und durch drei Eiswürfel gekühlt, schmeckte ihm nicht mehr und er hasste es, sich den Sonnenuntergang durch Anblick gerollten Stacheldrahts verderben lassen zu müssen. Wie lange war es her, seit sich zum
Weitere Kostenlose Bücher