Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall
Aufschrift ›Action in 10 Sekunden‹ neben dem Kameramann in die Höhe. Mit der anderen Hand schob sie schnell ein weiteres Schild darüber, auf dem zu lesen war: ›Du schaffst es, Marco – denn du bist der Beste!!!‹
Ihr habt gut reden, dachte er und stieß dabei abschätzig einen Schwall Luft durch die geschlossenen Zahnreihen.
Er trat hinter der Stellwand hervor. Das rote Lämpchen an der Führungskamera leuchtete auf.
»Vielen Dank für Ihre Unterstützung. Das haben Sie toll gemacht!«, lobte der Starmoderator. »Die Kandidaten können diese Aufmunterung vor der neuen Runde auch wirklich gut gebrauchen. Gerade nach dieser etwas längeren Pause.« Mit federnden Schritten eilte er zu einem containerartigen Bühnenaufbau. »Aber wir dachten eben, wenn wir Ihnen schon einmal diese Weltstars präsentieren können, dann auch richtig. Das sehen Sie doch genauso, nicht wahr.«
Tosender Applaus brandete auf.
»Ich habe noch weitere Überraschungen für Sie.« Er wartete einen Moment, bis es ruhiger in der Halle wurde. »Es gibt heute Abend keine weitere Werbeunterbrechung. Damit die Spannung noch mehr knistert. Und wir verlängern die Sendung! Das sind unsere vorgezogenen Weihnachtsgeschenke für Sie.«
Jubelschreie, stehende Ovationen.
»Danke, Danke! Nun aber zurück zu unserem lieben Tobias Tannenberg, der immer noch hier in dieser schalldichten Kabine sitzt und auf seine neue Frage lauert. Sie, meine verehrten Damen und Herren hatten ja in der Zwischenzeit genügend Gelegenheit, nach der Lösung zu suchen. Haben Sie die richtige Antwort gefunden?«
Schnitt – Gemischte Reaktionen bei den Zuschauern: wenige nickten, die meisten der Tribünengäste zuckten mit den Schultern oder verneinten mit einer Kopfbewegung.
Wie von Geisterhand bewegt, öffnete sich plötzlich hinter einer dicken Glasscheibe ein Vorhang und gab den Blick frei auf das jüngste Mitglied des Tannenberg-Rateteams. Tobias hatte einen Kopfhörer auf und betrachtete gerade ein Musikvideo, das ihm die Regie auf seinem Monitor eingespielt hatte. Nun bekam auch er endlich die knifflige Fußballfrage präsentiert, konnte sie jedoch in der vorgegebenen Zeit nicht lösen.
»Schade. Na, vielleicht haben Sie ja jetzt mehr Glück. Auf zur nächsten Frage«, gönnte ihm der Moderator noch nicht einmal eine kleine Verschnaufpause. »Sind Sie bereit?«
Tobias nickte mit bekümmerter Miene.
Auf der Leinwand prangte inzwischen der Begriff ›Biologie‹.
»Ihre Wahl?«
»Der niedrigste Schwierigkeitsgrad, bitte.«
»Na, auf einmal so ängstlich. Nun gut, hier kommt Ihre Frage:
Wie nennt man die Blüten der Weide?
A) Mäuschen
B) Häschen
C) Kätzchen
D) Eichhörnchen?
»Ist das eine Scherzfrage?«
»Wieso? Ist Sie Ihnen etwa zu einfach?«
»Das ist ja höchstens Grundschulniveau.«
»Ich habe Sie nicht gezwungen, diese Kategorie zu wählen.«
»Antwort C«, seufzte Tobias.
Von brausendem Zuschauerjubel untermalt ertönte die Siegesfanfare.
Nachdem die Beifallsstürme abgeebbt waren, sagte der Starmoderator: »Na, jetzt werfen Sie mal nicht gleich die Flinte ins Korn. In der zweiten Runde erhalten Sie ja nun tatkräftige Unterstützung von Ihrem Vater und Ihrem Großvater. Vielleicht läuft’s dann ja wieder besser.«
Marco Kern wandte sich an die beiden anderen Mitgliedern des Tannenberg-Teams. »Wenn ich bitten dürfte, meine Herren.«
Laute Musik dröhnte aus den Lautsprecherboxen. Der Starmoderator wartete, bis Jacob und Heiner sich ebenfalls in der Kabine eingefunden hatten.
Tobias war dem Anschein nach zu urteilen ziemlich enttäuscht darüber, dass er die enorm wichtige Fußball-Frage nicht richtig beantworten konnte. Frustriert ließ er den Kopf baumeln. Die anderen beiden setzten sich zu ihm und versuchten ihn aufzumuntern. Sie hatten offensichtlich für einen Moment vergessen, wo sie sich gerade befanden und dass die Zuschauer sie beobachten konnten.
»Unter uns gesagt: Die Frage war aber auch wirklich nicht gerade einfach«, erklärte der Moderator.
Erst diese direkte Ansprache holte die Tannenbergs in die Realität zurück. Ihre Köpfe schnellten unwillkürlich zur Glasscheibe hin. Eine ebenso reflexartige wie unsinnige Reaktion, denn eigentlich wussten sie ja, dass sie nicht durch sie hindurchschauen konnten. Schließlich war die Scheibe aus gutem Grund von innen verspiegelt worden. Damit wurde nämlich verhindert, dass Zuschauer den Kandidaten Hilfen, z.B. in Form von Handzeichen geben konnten. Die
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