Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall
Einige deuteten auf ihn, sie schienen ihn zu erkennen.
»Und dann taucht plötzlich jemand auf, der Ihnen dieses Highlight, auf das Sie sich so sehr gefreut haben, verderben will. Da wären Sie doch sicherlich sauer, oder etwa nicht?«
Dieselbe Reaktion.
»Es gibt tatsächlich jemanden, der Ihnen den heutigen Abend gründlich verderben möchte.«
Nun machte sich etwas Unruhe in der Halle breit.
»Und zwar dadurch, indem er versucht, ein makabres Spielchen mit Ihnen zu spielen. Aber das dürfen und wollen Sie sich natürlich nicht bieten lassen – richtig?«
Ein anschwellendes Raunen ging durch die Menge. Mit einer Geste versuchte er mäßigend auf die Zuschauer einzuwirken.
»Wie ich sehe, sind wir uns da einig. Schön.« Tannenberg ging ein paar Schritte weiter nach vorne in Richtung des Publikums. »Ich werde Ihnen nun meinen Plan verraten. Ein ausgetüftelter Plan, mit dem wir den Spieß umdrehen und selbst die spielerische Initiative übernehmen werden. Vorab möchte ich Ihnen allerdings noch versichern, dass es nicht den geringsten Anlass zur Besorgnis gibt.«
Der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission ließ ein paar Sekunden verstreichen, während denen er ängstlich das Publikum sondierte. Zu seiner großen Erleichterung entdeckte er jedoch auf den Zuschauerrängen keinerlei Anzeichen von Panik. Eher war das genaue Gegenteil eingetreten. Wie bei einer Messe war es in der Halle sehr still geworden. Geradezu andächtig lauschten die Menschen dem Mann, der da wie ein Prediger direkt vor ihnen auf der Bühne im grellen Scheinwerferlicht stand.
»Sie können sich hundertprozentig auf das verlassen, was ich Ihnen eben gesagt habe. Ich bin Kriminalbeamter.« Er stockte, wartete auf eine mögliche Publikumsreaktion. Aber weiterhin blieb alles relativ ruhig, nur an wenigen Stellen keimte etwas Unruhe auf. »Wir haben eine Bombendrohung erhalten, verbunden mit einer kleinen Erpressung.«
Nun allerdings ging ein heftiges Raunen durch die Menge.
Tannenberg machte abermals eine beschwichtigende Handbewegung. »Bitte bewahren Sie Ruhe! Meine Kollegen und ich haben vorhin die Halle durchsucht und dabei nicht den kleinsten Hinweis auf irgendeinen Sprengkörper entdeckt.« Auf den Rängen ebbte die Woge der Unruhe ein wenig ab. »Trotzdem möchten wir Sie vorsorglich bitten, die Halle zu verlassen.«
Einige Zuschauer erhoben sich.
»Nein, nein. Bitte setzen Sie sich wieder hin. Ich möchte Ihnen jetzt meinen Plan präsentieren.«
Alle, die sich aufgerichtet hatten, folgten der Anweisung und nahmen wieder Platz.
Die Augen des Publikums klebten förmlich an Tannenbergs Lippen, während er fortfuhr: »Da die Erpresser möglicherweise die Hallenausgänge beobachten, werden Sie die Fruchthalle über einen Schleichweg verlassen. Und zwar durch einen kurzen, unterirdischen Stollen, der unter der Straße hindurchführt und auf der anderen Straßenseite in einem Parkhaus endet. Haben Sie das verstanden?«
»Ja«, antwortete ein leiser, vielstimmiger Chor von der Tribüne herab.
»Sehr gut. Und in diesem Parkhaus warten Sie bitte, bis meine Kollegen mit ihren Spürhunden noch einmal gründlich die Halle nach Sprengstoff abgesucht haben. Und danach können Sie über die normalen Eingänge wieder zurück in die Halle – und die Show geht weiter! Was glauben Sie wohl, welch ein Triumphzug das für Sie alle werden wird.«
»Den Event-TV selbstverständlich live überträgt«, warf Marco Kern von der Seite her ein. »Diese spektakulären Bilder können Sie noch in dreißig Jahren stolz Ihren Enkeln vorführen. Damit machen wir jedem Fernsehzuschauer klar: Von Kriminellen lassen wir uns den Spaß nicht verderben, wir nicht! Oder sehen Sie das etwa anders?«
»Nein!«, tönte es aus vielen Mündern, diesmal allerdings bedeutend lauter.
Der Starmoderator ergriff die Hand des Kriminalbeamten, riss beide Arme in die Höhe. Tosender Applaus brandete auf.
Tannenberg dämpfte erneut die aufgeschäumten Emotionen mit einer entsprechenden Geste. »Vielen Dank, meine Damen und Herren. Ich wusste, dass die Polizei auf Ihre Unterstützung bauen kann. Ich werde Sie nun kurz über den genauen Ablauf der Evakuierungsmaßnahme informieren. Meine Kollegen und die Mitarbeiter von Event-TV werden mich bei der Durchführung unterstützen.«
Während die Räumungsaktion ohne jegliche Hektik anlief, begab sich Marco Kern, gefolgt von der Führungskamera, hinter die Bühne. Vor dem Eingang zur Kandidatenkabine blieb er stehen. Das
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